Schierling lässt Geschichte lebendig werden

Rund 650 Mitwirkende und über 5000 Gäste beim „7. Schierlinger Gennßhenkher-Fest“

SCHIERLING, 02.08.2018. Am „Gennßhenkher-Fest“ zeigten die „Schierlinger Schützen vom Kelheimer Landfähnl“ beim Exerzieren zwar bis zuletzt ihre hohe Einsatzbereitschaft. Doch gleichzeitig mussten etwa 5000 Zuschauer miterleben, wie während des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1633 die hungrigen und plündernden Schweden den Ort überfielen, dabei ein Teil der Bevölkerung umkam, und – der Sage gemäß – sie die letzten Gänse kaperten.

Szene mit Soldaten, Gefallenen und Gänsen
Das Ende der Schierlinger „Gänshänger“-Geschichte im Jahr 1633: Von den Schweden überfallen, Menschen getötet, geplündert und die letzten Gänse verschleppt

Was Schierling hier feiere sei ein wahres Volks-Fest, stellte der Bürger Rudi Hüttner voll Anerkennung und mit ein bisschen Stolz fest. Er war am Samstagabend auf die Viehmarktwiese im Ortszentrum gekommen, um zu erleben, zu feiern und damit Teil des Geschehens zu werden, das sich vor etwa 385 Jahren in Schierling ereignet hat.

Viele engagierte junge Leute

Hüttner freute sich über das konkrete Engagement so vieler Schierling ebenso wie über die Begeisterung, die damit in der Schierlinger Gesellschaft ausgelöst wurde.

Große Anerkennung kam auch von Landrätin Tanja Schweiger, MdB Peter Aumer und MdL Hubert Aiwanger sowie von Bürgermeister Raynald Tanter aus Schierlings französischer Partnergemeinde Penmarc’h. Das idyllische Gelände an der Großen Laber sei ideal und man fühle sich wie in einer anderen Welt, so Schweiger und Aumer übereinstimmend. „Mich begeistert vor allem das große Engagement so vieler junger Leute!“, so Tanter. Das komme nicht von ungefähr, machten Sonja Schweiß und Bürgermeister Christian Kiendl deutlich, denn die Gennßhenkher seien ein besonders familienfreundlicher Verein.

Einzug der Schierlinger Schützen
Die „Schierlinger Schützen vom Kelheimer Landfähnl“ bilden das Rückgrat der Verteidigung des Dorfes
Vorführung der Gewehre
Beim Exerzieren zeigten sie ihren Leistungsstand

Mitwirkende aus England

Über 600 Mannsbilder, Weiber und Kinder lebten an diesem Wochenende drei Tage lang im Feldlager, rund 250 übernachteten in Zelten unmittelbar an der Großen Laber. Der Fluss und Bach sorgten für Abkühlung und waren Spielplatz für die Kinder zugleich. Etwa 25 Gästegruppen aus Südwestengland, Brünn, Rostock, Delitzsch in Sachsen und Memmingen sowie vielen anderen Orten waren angereist. Sie alle erlebten die Damen-Tanzgruppe, junge Gaukler, Feuerspucker, den Chor des Vereins, Fanfaren, Trommler, einen Nachtwächter, die Landshuter Turmpfeifer und immer wieder das Exerzieren der Musketiere. „Wir haben die Mitwirkenden bei fast allen Gruppen verdoppeln können!“, freute sich Markus Schweiß, der zusammen mit Roland Kraus als Cheforganisator wirkte.

Historisch gekleidete Marketenderinnen und Kinder beim Rückmarsch zum Lager
Vor der Inspizierung kam das Gebet in der Pfarrkirche mit anschließendem Marsch zum Feldlager

Zusammenhalt im Verein

Allein beim Aufbau haben gut 100 Leute mitgeholfen, denn es galt nicht nur das Feldlager authentisch vorzubereiten, sondern auch Sitzgelegenheiten für rund 2500 Besucher zu schaffen. Im Lager arbeiteten Schmied sowie Messer- und Scherenschleifer wie anno dazumal, und draußen unterhielten Zauberer sowie Akteure des Vereins Kinder und Erwachsene zugleich. Für die Kulinarik gab es Unterstützung von den Rock’n-Rollern, dem Schulförderverein, Partnerschaftsverein und dem Liederkranz. Ein grandioses Feuerwerk wurde in der ganzen Umgebung bestaunt.

Hauptmann mit Honoratioren
Wenn der Hauptmann (der ehemalige Muna-Kommandant Fritz Bronsart, 3. von links) kommt, sind auch die Gemeindeverantwortlichen gefragt

Der Hauptmann kommt

Als der Hauptmann aus Kelheim - in Gestalt von Major a.D. Fritz Bronsart – in den 1630er Jahren nach Schierling kam, da war der Ort in Aufruhr. Denn er prüfte die Einsatzbereitschaft der Schützen. Die „Herren Sexer“ – die Gemeindevertreter – waren besonders nervös und feierten zum Beginn einen Gottesdienst. Doch die Prüfung war erfolgreich und deshalb wurde dem Hauptmann und ihnen ein Festmahl kredenzt. Am Sonntag hat das der Völkl Luck mit seinem Gesinde erledigt. Knödel, Blaukraut, Soße und Kartoffelsalat wurden an Ort und Stelle hergerichtet, die vier Ganserl beim Huber-Bäck gebraten. Da lief den Festgästen das Ganserlfett aus den Mundwinkeln und den Zuschauern das Wasser im Munde zusammen. Für die Schützen gab es am „Schüsselbrett“ – einer Holzbohle mit eingefrästen Vertiefungen – Wildschweineintopf. Außerdem machten sie sich über die Gansreste her.

Lagerfeuer mit Kesseln und gebratenen Gänsen am Spieß
Luck Völkl richtete für die hohen Herrschaften den Gänsebraten
Schützen beim abfieseln der Gänse-Gerippe
Für die Schützen blieb das Gerippe zum Abfieseln

„Ganserl an der Schnur“

Als Nachtisch gab es „Ganserl an der Schnur“, wie Pfarrer Josef Helm angesichts des Schmalzgebäcks von Gertraud Piendl bemerkte.

Seinem Kollegen, dem evangelischen Pfarrer Uwe Biedermann, dagegen wurde übel mitgespielt. Er galt wegen seiner Konfession als Ketzer, wurde festgenommen, mit „Wahrheitsserum“ abgefüllt und wieder freigelassen. Der so Gescholtene revanchierte sich mit einem fulminanten „Spaltvers“. Besser ging es dem Schützen Uli Müller, der mit seiner Frau Tanja im Rahmen des Gennßhenkerfestes Hochzeit feierte.

Frauen beim Verteilen des Schmalzgebäcks
Als Nachtisch gabs Schmalzgebäck „Ganserl an der Schnur“
Feuerwerk über erleuchtetem Zeltlager
Ein prächtiges Feuerwerk war weithin sichtbar

Der Dank des Bürgermeisters

Bürgermeister Christian Kiendl dankte allen Verantwortlichen und Akteuren für das große Fest. Ein außerordentliches ehrenamtliches Engagement, hohes Verantwortungsbewusstsein und eine beispielhafte Solidarität seien schon in den letzten Monaten, ja während des ganzen letzten Jahres, sicht- und spürbar gewesen. Die akribischen Vorbereitungen - die sichtbaren und die unsichtbaren - haben dazu beigetragen, dass alle Äußerlichkeiten perfekt funktionierten. Entscheidend für das gute Gelingen aber sei die Atmosphäre gewesen, die während der Tage innerhalb des Feldlagers und draußen bei den Besuchern herrschte. Hier sei deutlich geworden, dass die Schierlinger Gesellschaft diese Tage als "ihr Fest" begreift und außerdem wahrnimmt, dass es sich dabei um etwas Großartiges und Einzigartiges handelt. Es erfüllt nicht nur ihn mit Stolz, sondern sehr viele Bürgerinnen und Bürger hätten von einem "einmaligen" Ereignis gesprochen, und seien ebenfalls stolz auf alle, die sich auf irgendeine Art und Weise bei der Vorbereitung, der Abwicklung sowie bei den Nacharbeiten engagiert haben. „Ich darf euch allen im Namen des Marktes Schierling höchste Anerkennung zollen und euch sehr herzlich danken. Und ich versichere euch, dass ihr dem Namen unserer Heimatgemeinde weiteren Glanz verliehen und zur Steigerung der Sympathie für unseren Markt Schierling beigetragen habt!“, so der Bürgermeister.

Protagonisten

Foto Markus Schweiß
Markus Schweiß

Markus Schweiß steht seit 2011 an der Spitze der Gennßhenkher („Gänshänger“) und ist begeistert von der Solidarität im Verein sowie von der Unterstützung aus der Bevölkerung. „Wir spielen nicht Krieg, sondern wir zeigen das Leben einer Dorfgemeinschaft in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges um das Jahr 1633 mit den Gefahren und Herausforderungen, mit denen die Menschen fertig werden mussten“, so Schweiß.
 

Foto Clemens Zehender
Clemens Zehender

Der junge Clemens Zehender kommandierte als strenger Corporal 28 Musketiere. Die Gänshänger-Sage sei ein „großer Schatz“, um die Zäsur des Dreißigjährigen Krieges darzustellen. Das Heilige Römische Reich sei zusammengebrochen und etwa eine Drittel der Bevölkerung dabei umgekommen. „Für uns geht es nicht um eine Gaudi oder Kasperlei, sondern um die Wahrnehmung von Verantwortung“, sagte Zehender.
 

Foto Claudia Kraus und Jutta Stöckl
Claudia Kraus und Jutta Stöckl

Claudia Kraus und Jutta Stöckl haben als „Näh-Weiber“ dafür gesorgt, dass Hunderte Schierlinger in historischer Kleidung unterwegs waren. Denn nur wer authentisch angezogen ist, wird Teil des Geschehens und darf das Feldlager betreten. Alle anderen schauen zu. Gut ein Jahr lang fertigten und änderten sie zusammen mit 6 Näherinnen Kostüme, Röcke, Blusen, Mieder, Hemden, Jacken und mehr für gut 100 Mitwirkende.
 

Foto Jennifer Baumann
Jennifer Baumann

Jennifer Baumann ist erst vor kurzer Zeit zu dem mittlerweile gut 350 Mitglieder zählenden Verein gestoßen. Innerhalb von zwei Monaten hat sie eine 20-köpfige, komplett neue Feuerspucker-Truppe aufgestellt. Weil sie das vorher noch nie gemacht hatte, sammelte sie Informationen, besorgte Ausrüstungen, entwickelte Choreografien und trainierte fleißig. Die Leute waren begeistert und spendeten Riesen-Applaus. 

Bildergalerie

Diese und viele weitere Impressionen vom Gennshenkher-Fest finden Sie in der Bildergalerie Gennsshenkher-Fest 2018

 
Text und Fotos: Fritz Wallner