Gennßhenkher-Fest begeisterte Tausende

Historische Inszenierung führte in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges

SCHIERLING, 12.08.2014. Die Schierlinger „Gänshänger“ haben es nicht leicht. Es ist nämlich eigentlich keine Sünde, den letzten Proviant, noch dazu ein verräterisch schnatterndes Federvieh, vor dem heranrückenden Feind zu sichern. Denn es ist Krieg. Doch sich dabei so dilettantisch anzustellen, wie der Schierlinger Schlossherr im Dreißigjährigen Krieg vor 380 Jahren, das bestrafte die – boshafte - Nachbarschaft. Und zwar mit dem Spott- und Schimpfnamen „Ihr Gennßhenkher“!

Angriff der Schweden
Einer der traditionellen Höhepunkte des Gennßhenker-Fests: Die Gefechtsdarstellung am Samstagnachmittag
Trommler beobachtet von einem Kind
Weißblauer Trommler mit aufmerksamem Beobachter

Schließlich hatten die ebenso feindlichen wie hungrigen Schweden die vom Schlossherrn eilig geschlachteten und hinterm Schloss aufgehängten Gänse gefunden und verspeist. Eigentlich war die Zeit vor rund 380 Jahren sehr schrecklich, erzählte Markus Schweiß, der Vorsitzende des veranstaltenden Vereins für Heimatpflege, den vielen Besuchern bei der Begrüßung. Keine ärztliche Versorgung und kein Nahrungsnachschub. Dabei stand der Feind ganz nah. Das Dorf Schierling musste jederzeit verteidigungsbereit sein. Fanfaren kündigten den Hauptmann aus Kelheim an, der genau das zu kontrollieren hatte.

Von den weit über 500 Akteuren wurde am Wochenende alles vorgelebt, was das Jahr 1633 in Schierling prägte: Schießübungen zum Erhalt der Verteidigungsbereitschaft, die Darstellung eines Gefechtes mit Spießen und Vorderladergewehren, kochen in einfachen Gefäßen, essen aus Vertiefungen in der Tischplatte, tanzen, spielen und singen trotz Angst und Not. Wenn die damalige Dorfgemeinschaft so lebte, dann könnte sie ein Vorbild für die Jetztzeit sein! Und wie sie es war, denn der Zusammenhalt im Verein und darüber hinaus bei der Vorbereitung jedenfalls beispielhaft. „Es waren bei den Arbeitseinsätzen immer zwischen 30 und 50 Helfer da“, schwärmte Schweiß.

Foto der Zuschauer
Gebannte Zuschauer bei der Gefechtsdarstellung
Trommler beobachtet von einem Kind
Drei Generationen Jongleure

Für die Besucher waren 2000 Schau-Sitz-Plätze aufgebaut. Sie wurden von der Fanfaren-Gruppe auf jeden Höhepunkt hingeführt und von Schweiß sowie Hans-Peter Stöckl ständig mit versorgt. Es gab außerdem Vorführungen mit den Waffen, ein a-Capella-Chor unterhielt mit alten Liedern, Zauberer zogen die Kinder an, das Mäuse-Roulett war ein besonderer Magnet, es gab Spiele mit Holzutensilien und es ganz zu essen und zu trinken. Sieben Feuerspucker – alle aus dem eigenen Verein – brachen phantastische Leistungen. Und auch die 30 jungen Nachwuchsjongleure begeisterten die annähernd 5000 Besucher. Als Riesenspektakel erwies sich die Gefechtsdarstellung am Samstagnachmittag. Es ging nicht um Kriegsverherrlichung, sondern allein um Geschichtsdarstellung. Es wurden Kanonen eingesetzt und die Soldaten immer wieder in den unmittelbaren Kampf Mann gegen Mann geschickt. Sieger gab es nicht. So, wie es in jedem Krieg eben nur Verlierer geben kann.

Am Sonntag traten die „Sechser“, die Gemeindeverantwortlichen, auf den Plan. Sie überzeugten sich zusammen mit dem Kelheimer Hauptmann – in Person des ehemaligen Munitionsdepot-Kommandanten Fritz Bronsart – von der Einsatzbereitschaft ihrer Männer. Das Szenario hatte Ortsheimatpfleger Georg Schindlbeck bereits vor über zwanzig Jahren entworfen. Bevor es zur Kontrolle durch den Hauptmann kam wurde in der Pfarrkirche Gottesdienst gefeiert. Pfarrer Josef Helm predigte über die Brotvermehrung und machte bewusst, dass der Mangel in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges dadurch behoben wurde, dass anderen einfach etwas genommen wurde. „So sind Frieden und Glück nicht erreichbar!“, sagte der Pfarrer.

Foto der "Sechser" und weiterer Honoratioren
Versammelte Honoratioren
Vater mit Kind
Schon die Allerkleinsten sind in Schierling begeisterte "Gennßhenkher"

Fast die gesamte Prominenz, einschließlich Bürgermeister Christian Kiendl, Landrätin Tanja Schweiger und Penmarc'hs Bürgermeister Raynald Tanter mussten am Samstagnachmittag Schmähungen hinnehmen, weil sie angeblich die Scheibe verfehlten (obwohl sie gar nicht „scharf“ geschossen hatten).

Luck Völkl war der Koch und beim Festmahl wurden schließlich die Standesunterschiede deutlich: Der Prominenz wurde Ganserlbraten aufgetischt, dem Volk Lüngerl in die Mulden ihres Esstisches geschöpft. Am Samstagabend erhellte ein großes Feuerwerk den Ort und rief Begeisterung unter den Besuchern hervor. Bürgermeister Christian Kiendl war voll des Lobes über die Leistungen des Vereins für Heimatpflege, die alles hervorragend vorbereitet und durchgeführt haben. „Wir können stolz sein auf den Zusammenhalt in unserer Gemeinde!“, so Kiendl.

Gennßhenkher-Fest

Molly und der Sheriff

Mitwirkende. Neben vielen Hundert Schierlingern auch historische Gruppen aus Südwestengland (Bristol und Bath mit 20-stündiger Anreise), Wien, Memmingen, Wasserburg, Neufahrn, Weiden, Nürnberg, Schrobenhausen, Delicsch, Landshut, Waldmünchen und Wittstock.

Vereine. Bei der Gästebewirtung machten auch mit der Schulförderverein, Partnerschaftsverein Schierling/Eggmühl-Penmarc’h, der Liederkranz sowie die Rock’nRoll-Abteilung „Hot Legs“.

Sieger. Beim Vorderladerschießen gewann – sehr zum Leidwesen des „Hauptmanns aus Kelheim“ – mit Ricarda Uebel eine Frau, vor Stefan Hecht (beide Memmingen) und Volker Stöckl aus Schierling.

Ehrung. Weil sie hautverantwortlich waren für das Nähen der historischen Kostüme wurden Jutta Stöckl und Claudia Kraus mit der „goldenen Fadenspule“ ausgezeichnet.

Impressionen

vom Gennßhenkher-Fest 2014 zeigt unsere Bildergalerie

 
Text und Fotos: Fritz Wallner