Pestgelübde für ewige Zeiten

Ende August findet alljährlich der Bittgang nach Hausen statt – zu Fuß und mit dem Bus

Seit dem Jahre 1627 erfüllen die Pfarrei und die Gemeinde Schierling mit dem Bittgang nach Hausen das Gelübde, das die Bürgerinnen und Bürger zur Linderung der Pestnot damals gegeben haben. Diese Bittgänge wurden nur durch die Säkularisation von 1803 bis 1830 unterbrochen. Immer am letzten Sonntag im August marschieren die Schierlinger schon gegen 5 Uhr früh von zuhause los und sind gegen 7.45 Uhr in Hausen, wo um 8 Uhr die heilige Messe gefeiert wird. Es werden auch Busse eingesetzt.

Bittgang am frühen Morgen
Alljährlich am frühen Morgen eines Sonntags Ende August brechen die Schierlinger zum Bittgang nach Hausen auf

Am 7. August des Jahres 1627 brach über Schierling – wie über viele andere Orte auch – eine verheerende Pestseuche herein. Sie kostete vielen Menschen das Leben. In ihrer Not wandte sich die Bevölkerung von Schierling an die Pestheiligen Sebastian und Rochus und versprach für ewige Zeiten, alljährlich einen Bittgang in das rund zwölf Kilometer entfernte Hausen zu halten.

Wallfahrtskerze
Wallfahrtskerze, gespendet vom Markt Schierling

Der Pest war eine Zeit der allgemeinen Teuerung und Preissteigerung im Lande vorausgegangen, die durch den Dreißigjährigen Krieg verursacht worden war. Der Spätfrost hatte im Jahre 1626 den Roggen vernichtet, Getreide aus Österreich und Böhmen musste eingeführt werden. Der Weizenpreis stieg pro „Landshuter Schaff“ – ein Maß für 600 Liter – sprunghaft von 16 auf 50 Gulden an. Dann kam die Pest. In Schierling hielt sie am 7. August 1627 ihren Einzug und wütete 19 Wochen.

In der Chronik ist die Eigenart der Krankheit so beschrieben: „Es kam also, dass der Mensch eine Drüse gewann, daran starb er am dritten Tage.“ Jeder Verkehr wurde in Schierling sofort verboten und insgesamt eine „Bannisation“ ausgesprochen. In der Regel folgte eine 40-tägige Beobachtungszeit. Purer Leichtsinn mag es gewesen sein, wenn Leute aus der Nachbarschaft trotzdem nach Schierling zur Mühle kamen. Und zudem mussten sie auch noch Strafe bezahlen.

Unsagbar muss das Leid gewesen sein, das über Schierling hereingebrochen war. Noch heute erinnert am Kirchenaufgang eine eingemauerte Pestsäule mit der Inschrift: „Die Martersäule hat machen lassen, Brottmaier, Wirt und Gastgeber zu Schierling“ an diese schlimme Zeit. Die Kranken nahmen Zuflucht bei den Pestheiligen Sebastian und Rochus, sie suchten Trost in frommen Gelübden und Versprechungen und sie trugen auf der Brust Pestamulette, nachdem die „Beulenschneider“ keine Hilfe brachten.

Die Schierlinger gelobten „mit ihrem schwergeprüften Pfarrer“, wie es in der Chronik heißt, für ewige Zeiten einen Bittag nach Hausen am Rochustage und außerdem für dauernde Zeiten einen Samstags-Rosenkranz. Zu allen Zeiten erinnerte man sich in Schierling an dieses Bittgang-Versprechen und hielt es auch, wenngleich nicht immer als reine Fußwallfahrt. Anfang der 1970er Jahre, als der damalige Pfarrer Josef Scheuerer schon krank war, wurde ausschließlich mit dem Bus gefahren. Später führte der Pfarrgemeinderat die Fußwallfahrt wieder ein.

Es stellte sich aber heraus, dass zwar bis zu einhundert Frauen und Männer um fünf Uhr früh in Richtung Hausen losmarschierten, den 12 Kilometer langen Rückweg aber nur noch knapp 30 wagten. So entschloss man sich, generell zu gehen und den Rückweg mit dem Omnibus zurückzulegen.

In jedem Jahr spendet der Markt Schierling nach altem Brauch eine große Kerze als Zeichen der Dankbarkeit. Im Jahre 1709 – so fand der ehemalige Rektor Georg Rötzer bei seinen heimatkundlichen Forschungen in der Mitte der 1980er Jahre heraus – mussten für die neue Kerze 7 ½ Pfund Bienenwachs gekauft werden, was fünf Gulden und 15 Kreuzer kostete. Dieser Betrag wurde von der Bevölkerung als „Opfer eingehoben“. Vier Gulden und 5 Kreuzer waren auszugeben für den Schulmeister, den Kaplan, die Sängerknaben, den Fahnen- und den Kreuzträger, die Sängerinnen und den Mesner von Hausen. Das aber hatte die Gemeindekasse zu berappen.

Die Kerze war tatsächlich etwa 25 Pfund schwer. Ein besonderes Amt hatte der „Kerzen-Aufzünder“, denn er bekam im Jahre 1843 für diese ehrenvolle Aufgabe 12 Kreuzer, was immerhin einem Viertel des Handwerkertageslohnes entsprach. Im Jahre 1903 stiftete die Gemeinde Schierling eine Votivtafel, die noch immer in der Kirche von Hausen aufgehängt ist und neben der auch die noch nicht abgebrannten Kerzen der letzten Jahre stehen. „Ein Gelübde machen ist leichter, als es dann einzuhalten“, schreibt Pfarrer Laubmeier in einer Notiz vom 1. August 1956.

 
Foto aus dem Jahr 2001: Fritz Wallner