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Beispielhafte Integration: Mamas und Kinder lernen Deutsch

Förderverein der Schierlinger Schulen unterstützt Schul-Vorbereitungs-Förderprogramm

SCHIERLING, 26.08.2010. Der Schulförderverein leistet seit November letzten Jahres einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Mitbürgern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch. Denn während Frauen aus der Türkei, Thailand, USA, Indien, Polen und Albanien im Kurs „Mama lernt Deutsch“ die Köpfe rauchen lassen, lernen ihre Kinder gleichzeitig – in einer besonderen Art von Schul-Vorbereitungs-Förderprogramm – beim gemeinsamen Spiel in der Kinderbetreuung die Sprache ihrer neuen Heimat. „Das ist für die Kinder die beste Förderung, um optimale Voraussetzungen für den Schulstart zu haben!“, so Dr. Josef Kindler, der Vorsitzende des Schulfördervereins.

Kursteilnehmerinnen und Lehrkräfte vor der Tafel
An der Placidus-Heinrich-Volksschule Schierling unterrichtet die Germanistin Bogumila Baumgartner (vierte von links) bei „Mama lernt Deutsch“ Frauen aus vielen unterschiedlichen Ländern

Leicht ist es nicht, wenn man als Kind eine Sprache gelernt hat, dann nach Deutschland kommt und hier diese neue, sehr schwere Sprache lernen muss. Beim Besuch des Kurses „Mama lernt Deutsch“ durch Bürgermeister Christian Kiendl und den Schulförderverein wurde im Kurs gerade der Konjunktiv geübt. „Was würden sie machen, wenn sie Bürgermeister wären?“, fragte Kursleiterin Bogumila Baumgartner rhetorisch. Dass die Frage gut verstanden wurde erwiesen die Antworten: „Schwimmbad bauen, Museum eröffnen, englische Bibliothek einrichten, großes Einkaufszentrum bauen und den MC Donald’s holen“ waren die Antworten, die spontan kamen. Doch um diese Inhalte ging es nicht beim Informationsgespräch. Sondern sie dienten allein dazu, den Unterricht „in die konkrete Situation einzupassen“, wie Baumgartner erläuterte. Sie weiß von was sie spricht, denn die geborene Polin teilt das Schicksal mit ihren Schülerinnen. „Auch ich musste Deutsch selber lernen und kann es deshalb besser erklären“, so die studierte Germanistin und Pädagogin. Das Bild-, Text- und Hörverständnis will sie wecken bei ihren Schülerinnen, denen sie hohe Motivation und den nötigen Fleiß bescheinigte. Eine besondere Herausforderung stellen für sie die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen dar.

Unterschiedliche Voraussetzungen
Es gebe Frauen, die schon länger in Deutschland seien und deshalb falsches Deutsch gelernt haben. Diese müssen anders üben als solche, die neu sind und deshalb von Anfang richtig lernen. Baumgartner freute sich, dass eine erwachsene Schülerin besonders hartnäckig ist und jetzt bereits – in Deutsch – den Führerschein macht. Der Sprachkurs ist anspruchsvoll und dauert insgesamt 600 Stunden mit dreimal in der Woche vier Unterrichtsstunden. „Wenn alle durchhalten, kann der Kurs im Mai 2011 abgeschlossen werden“, so Irmgard Herzog-Deutscher, die dieses Angebot eingefädelt hat, als sie noch zweite Vorsitzende des Schulfördervereins gewesen ist. Das Zustandekommen des Kurses sei schlussendlich der Volkshochschule Neutraubling zu verdanken, von der die organisatorische Vorbereitung und Abwicklung kommt. Der Traum aller Teilnehmer ist das Bestehen der Prüfung und die Aushändigung des Zertifikats. Die gesamte Vorbereitung habe sehr viel Kraft gekostet. Doch sei der Erfolg jede Anstrengung wert, denn „Sprache ist die Grundvoraussetzung für Integration“, so Herzog-Deutscher. In diesem Bewusstsein organisierte sie die gleichzeitige Betreuung der Kinder der „Mama-lernt-Deutsch“-Mütter und gewann dafür die Erzieherin Christina Melzer sowie Martina Mühlbauer.

Kinder verstehen schnell
Melzer bestätigte, dass sich das Sprachverhalten der Kinder vieler Nationen während der letzten Monate sehr stark verändert hat, denn es wird bei der Kinderbetreuung nur Deutsch gesprochen. „Wir basteln, spielen, malen und wir versuchen, dabei immer viel und richtig zu sprechen“, so die Erzieherin. Das bestätigt auch die polnische Mutti aus Aufhausen. Denn Anfang des Jahres habe ihr Kind noch nichts verstanden, jetzt aber habe sich das grundlegend gedreht. Wenn alle da sind, hat die Gruppe 9 Mitglieder im Alter von eineinhalb bis sieben Jahre. „Diese Kinderbetreuung ist die beste Förderung für die Kinder!“, war sich Dr. Kindler klar. Der Schulförderverein finanziert dieses Angebot zusammen mit dem Markt Schierling.

Wichtig: richtig lernen
Für Bogumila Baumgartner ist das genau der richtige Weg. Vor gut einem Monat hat sie das Buch „Gelebte Zweisprachigkeit“ herausgebracht. Dort vertritt sie den Standpunkt, dass die Kinder, die zweisprachig aufwachsen, zuerst die Familiensprache des Herkunftslandes richtig lernen sollen, die zuhause gesprochen wird. „Im Kindergarten, in der Schule oder wie hier bei der Kinderbetreuung haben dann die Kinder von Anfang an Chance, auf der guten Grundlage der Erstsprache auch Deutsch richtig gut zu lernen“, so Baumgartner. Diese Methode sei viel besser, als wenn die Kinder daheim zuerst ein schlechtes Deutsch lernen. Bürgermeister Christian Kiendl war froh, dass in Schierling Integrationsbemühungen auf so hohem Niveau stattfinden und er freute sich darüber, dass sich die Mütter auf dieses Angebot einlassen.

Erzieherin mit Kindern
Die gleichzeitige Kinderbetreuung ist ein „Schul-Vorbereitungs-Förderprogramm“, das der Schulförderverein finanziert. Erzieherin Christina Melzer mit Havvanur, Elanur und Tom

Schierlinger Integrationsaktivität durch Sprache

Integration. „Integration bezeichnet die Eingliederung zugewanderter Bevölkerungsgruppen in bestehende Sozialstrukturen und die Art und Weise, wie diese Bevölkerung mit dem bestehenden System sozioökonomischer, rechtlicher und kultureller Beziehungen verknüpft wird. Integriert werden kann nur, was mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zu den Anforderungen an die Migranten zählen umfassende Neu-Sozialisation und weitgehende Neuorganisation der Persönlichkeit, Erwerb der Kommunikationsfähigkeit, ständiger Lernprozess und Bereitschaft zur Veränderung.“ (Beirat für Migrant/Innen und Flüchtlinge– beim Bezirksamt Mitte von Berlin „Leitlinien für die Integration“, 2004)

Lehrerin. Bogumiła Baugartner ist in Danzig geboren und wohnt und arbeitet seit 1995 in Deutschland. Zusammen mit ihrem Mann erzieht sie ihre Töchter in zwei Kulturen und zwei Sprachen. Sie ist Autorin des in der polnischen Sprache erschienenen Buches „Przeżyć dwujęzyczność” („Die Zweisprachigkeit überleben“) und des in Deutsch erschienen Werks „Gelebte Zweisprachigkeit – wie erziehe ich mein Kind zweisprachig?“. Als Referentin ist sie in ganz Deutschland gefragt.

Finanzierung. „Mama lernt Deutsch“ wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert, die Teilnehmer bezahlen einen symbolischen Beitrag. Für die Kinderbetreuung kommt der Schulförderverein mit Unterstützung des Marktes Schierling auf.

Text und Fotos: Fritz Wallner