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Schierling hat größte Straßenbaustelle Bayerns

Rund 700 Interessenten beim Baustellen-Informationstag von Autobahndirektion, Landkreis Regensburg und Markt Schierling

SCHIERLING, 11.07.2010. Weit über 30 Jahre musste Schierling auf den mit der B 15neu in Aussicht stehenden Anschluss an das internationale Fernstraßennetz und auf die damit verbundene Entlastung der Ortsdurchfahrt warten. Dass bald – gleich einem „Sommermärchen - die erste Teilstrecke von Saalhaupt nach Schierling und die Südumgehung vollendet sind, davon konnten sich am Samstag rund 700 Interessierte beim Baustelleninformationstag überzeugen. „Solche Baumaßnahmen erlebt man vielleicht alle hundert Jahre!“, so stellvertretender Landrat Otto Gascher, unter dessen Amtszeit als Schierlings Bürgermeister entscheidende Weichen gestellt worden sind.

Luftaufnahme Schierling
Luftaufnahme: Das Schierlinger Gewerbegebiet „An der Fruehaufstraße“ erhält über die B 15neu und Südumgehung eine direkte Anbindung an das Bundesfernstraßennetz und die LKW müssen sich nicht mehr durch den Ort quälen

Der Bau der B 15neu ist für die Autobahndirektion Südbayern derzeit die größte Straßenneubaustelle in Bayern und für den Landkreis Regensburg die daran anknüpfende Südumgehung von Schierling – mit 14 Millionen Euro Bausumme – wahrscheinlich die größte Straßenbaumaßnahme in seiner Geschichte. Sehr viele Bürger trotzten der brütenden Hitze, kamen zur Baustelle und staunten bei einer einstündigen Busrundfahrt über die Schwierigkeiten und Dimensionen, die so ein großes Straßenbauprojekt mit sich bringt und waren beeindruckt von den vielen Details.

Bgm. C. Kiendl, Rektorin G. Honke, G. Kurz-Hoffmann Luftaufnahme bei Saalhaupt
Luftaufnahme: Das Schierlinger Gewerbegebiet „An der Fruehaufstraße“ erhält über die B 15neu und Südumgehung eine direkte Anbindung an das Bundesfernstraßennetz und die LKW müssen sich nicht mehr durch den Ort quälen

Verkehrsfreigabe unsicher

Der Markt Schierling hatte den „Tag der offenen Baustelle“ angeregt, um den Bürgern einen Einblick zu ermöglichen, welchen Kraftakt so ein Straßenbauprojekt darstellt und welcher Nutzen damit für die Bevölkerung verbunden ist. Mit der B 15neu werden nach der Fertigstellung bis Rosenheim 36 Ortsdurchfahrten wegfallen, so Christian Unzner, der Leiter der Autobahndirektion Südbayern, Dienststelle Regensburg. Der Bauabschnitt Saalhaupt-Neufahrn sei 2006 begonnen worden. 43 Brücken sind in diesem Teil gebaut und 2,4 Millionen Kubikmeter Erdmassen bewegt worden. Der Überschuss von 600000 Kubikmeter wurde seitlich abgelagert und dient als zusätzlicher Lärmschutz. Ob der angepeilte Termin für die Verkehrsfreigabe Ende des Jahres eingehalten werden kann, sei nach Unzner „derzeit nicht absehbar“. Denn ein Anbieter hat Einspruch eingelegt gegen die Auftragsvergabe für die Ausstattung der Straße. Nach europäischem Recht komme jetzt ein Verfahren in Gang, dessen Ausgang und zeitliche Abfolge unbestimmt seien.

Ansprache unter der Brücke
Stellvertretender Landrat Otto Gascher erinnerte in seiner Ansprache an die Geschichte der B 15neu

Schierling wollte keine Nordumgehung

Stellvertretender Landrat Otto Gascher erinnerte daran, dass der Staat ursprünglich eine Nordumgehung von Schierling geplant hatte, diese der Markt aber nicht wollte. Er dankte dem Landkreis und dem damaligen Landrat Rupert Schmid, dass schon vor zwanzig Jahren die Bauträgerschaft für eine „Südumgehung“ übernommen wurde. Der Markt Schierling wollte nach Gascher die Nordumgehung nicht, weil sie wesentlich länger gewesen wäre und einen erheblich größeren Einschnitt in die Natur zur Folge gehabt hätte. „Das Umweltbewusstsein im Marktgemeinderat Schierling war immer groß!“, so der ehemalige Bürgermeister.

Einsprüche und Klagen bis zum Bundesverwaltungsgericht in Berlin – zuletzt von keinem einzigen Schierlinger Bürger mehr – hätten den Baubeginn für die B 15neu Jahrzehnte verzögert. Die Südumgehung bedeute für den Landkreis einen „enormen Kraftakt“, denn von den 14 Millionen Baukosten müsse der Landkreis 4 Millionen aus eigenen Mitteln aufbringen. „Südumgehung und B 15neu sind unbedingt notwendig, weil wir wissen, dass der Landkreis Regensburg und der Raum Schierling die Perspektive auf eine enorme wirtschaftliche Weiterentwicklung haben“, so Gascher, der sich sichtlich über den Baufortschritt freute.

Otto Gascher
Otto Gascher

„Wenn das Herz voll ist, geht der Mund über!“
(Zitat Otto Gascher, für den das Eintreten für die neuen Straßen zur Lebensaufgabe wurde.)
 
 

Interessierte vor Infotafeln
Interessierte vor den Infotafeln

Ausgezeichnete Kooperation

Bürgermeister Christian Kiendl dankte besonders Otto Gascher für seinen Einsatz zugunsten der zweiten Ausfahrt im Raum Schierling und er dankte Andreas Appelt von der Autobahndirektion, Hans-Peter Heindl von der Landkreisverwaltung und der Marktverwaltung stellvertretend für alle, die bei der Vorbereitung des Baustelleninformationstages ganze Arbeit geleistet haben. Der Markt Schierling freue sich sehr auf die Baufreigabe, weil damit das Gewerbegebiet „An der Fruehaufstraße“ eine direkte Anbindung hat und die Ortsdurchfahrt wesentlich von Lärm und Abgasen entlastet und die Sicherheit gesteigert werde.

Weitere Fußgänger
Trotz Hitze besichtigten viele Bürger die Trasse zu Fuß
Fußgänger auf der Trasse

Angebote

Drei Busse befuhren während des ganzen Tages die neuen Trassen und Mitarbeiter der beiden Straßenbauverwaltungen gaben als Begleiter wichtige Einblicke in Details. Die Fahrt dauerte etwa eine Stunde und führte bis zu Anschlussstelle Saalhaupt der B 15neu sowie über die gesamte Trasse der Südumgehung. Etwa 70 nutzten die Chance, beim Hubschrauber sich Überblick zu verschaffen. Autobahndirektion und Landkreis Regensburg gaben an Schautafeln wichtige Informationen. Es wurden auch Ergebnisse der archäologischen Ausgrabungen gezeigt. Der Schulförderverein sorgte dafür, dass die Besucher gut mit Getränken versorgt wurden.

Wartende an der Bushaltestelle
Auch die Möglichkeit der Besichtigung per Bus wurde rege genutzt

Erkenntnisse aus einer Rundfahrt

Flächen. Für die Trasse der B 15neu waren 163 Hektar erforderlich, die fast ausschließlich auf freiwilliger Basis von den Grundstückeigentümern erworben werden konnten. 129 Hektar wurden dafür an anderer Stelle als „Ausgleichsflächen“ mit Flachwasserzonen und Anpflanzungen der Natur überlassen. In der Laberaue Richtung Niederleierndorf liegt die mit 38,5 Hektar größte zusammenhängende Ausgleichsfläche. Besondere Rücksicht wurde auf die Bau Dünzling vorkommende Bachmuschel genommen.

Erdbewegungen. Der größte Einschnitt mit bis zu 18 Meter ist am „Klosterberg“ bei Paring, die höchsten Dämme sind bis zu 12 Meter. Besonders im Tal der Großen Laber sei der Baugrund „sehr anspruchsvoll“ gewesen. Weil bis zu drei Meter dicke Torfschichten angetroffen wurde, waren rund 60000 laufende Meter Rüttelstopfsäulen zur Stabilisierung nötig. Außerdem wurden zur Bodenbearbeitung zwischen Schierling und Saalhaupt 30000 Tonnen reiner Kalk verbaut.

Informationen unter der Brücke
Rast und Information unter der schattenspendenden Brücke

Straßen. Für die 22 Kilometer autobahnähnlicher Straße bis Neufahrn sind 60 Kilometer Entwässerungsleitungen und 30 Kilometer begleitende Wege erforderlich. Das mit Streusals, Schwermetallen und dem Fahrzeugabrieb belastete Oberflächenwässer der Straße wird in Absetz- und Regenrückhaltebecken behandelt. 50 Zentimeter Frostschutz, davon 15 Zentimeter stabilisiert, geben der Straße den Halt. Darauf kommen 30 Zentimeter Asphalt als Trag-, Binder- und Deckschicht. Etwa 250 vorausgehende Baugrundbohrungen brachten Erkenntnisse über die optimale Bauweise.

Dimensionen. Die Trasse der B 15neu ist 26 Meter breit, davon entfallen zweimal 10 Meter auf Fahrbahn und Standstreifen, 3 Meter auf Mittelstreifen und je 1,5 Meter auf Bankette. An einem Tag sind bis zu 200 Arbeiter auf der Baustelle. Das größte Bauwerk ist eine Brücke bei Neufahrn, die allein 10 Millionen kostet. Eine normale Feldwegeüberführung schlägt mit 400 bis 600000 Euro zu Buche und eine Anschlussstelle mit etwa 2 Millionen.

Für Radfahrer war ein Rundweg ausgeschildert

Südumgehung. Die Kreisstraße R 45 als Südumgehung von Schierling hat 3 Kilometer Haupt- und 2 Kilometer Nebenstrecken. Bis zu 6 Meter hohe Dämme und bis zu 3 Meter tiefe Einschnitte waren zu bewältigen; insgesamt wurde 160000 Kubikmeter Erdmassen bewegt. Die Stabilisierung erfolgt mit einem Kalk-Zement-Gemisch.

Gäste. Unter den Gästen waren die Landtagsabgeordnete Tanja Schweiger, Bezirksrat Herbert Schötz, viele Kreisräte, Schierlinger Markträte, Kreisbaumeisterin Irte Kelm vom Landratsamt Regensburg und auch Bürger aus den benachbarten Gemeinden.

Sicht von Bürgern

Petra Massinger
Petra Massinger

Petra Massinger aus Eggmühl gehörte zum Team des Schulfördervereins, das die Versorgung mit Getränken sicherstellte. Der Tag sei sehr informativ und gut durchdacht gewesen. „Trotz der großen Hitze war es wert, das alles gesehen zu haben“, sagte sie.
 

Erwin Rackl
Erwin Rackl

Der Schierlinger Rentner Erwin Rackl gilt als einer der Bauüberwacher, denn jeden Tag verbringt er rund 4 Stunden auf der Baustelle. Als ehemaligen Kapo vom Bau beobachtet er sehr genau und findet die Leistungen der Bauunternehmen ebenso wie den angebotenen Informationstag „hervorragend-super“.

Christa Jungmayer
Christa Jungmayer

Christa Jungmayer war mit Mann und den drei Kindern gekommen, schwärmte von den „fast künstlerischen Bauwerken“. Der Informationstag sei eine einmalige Chance gewesen, um die große Geschichte dieser Straße und deren Entstehung zu erleben. „Die Idee für diesen Tag ist schon deshalb gut, damit unsere Kinder das an Ort und Stelle sehen, welche Leistung dahinter steckt und nicht in einigen Jahren ohne Kenntnis von Hintergründen diese Straßen befährt“, so Jungmayer.

 

Text und Foto: Fritz Wallner