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„Ochsenstraße“ als Stärke der Regionalentwicklung

1. Ochsenstraßenfest am Wochenende 3./4. Juli am Rathausplatz

SCHIERLING, 01.07.2010. Die „Ochsenstraße“, über mehrere Jahrhunderte hinweg eine der wichtigsten europäischen Querverbindungen, könnte auch für den südlichen Landkreis Regensburg im Rahmen der Regionalentwicklung zu einer echten Stärke ausgebaut werden. Dazu ermunterte Dr. Hermann Volkmann aus Stadtbergen bei einem Vortrag im Rathaus-Sitzungssaal und nannte als Beispiel die Aktivitäten im Wittelsbacher Land. „Der armselige Ochse muss ins Positive gekehrt werden“, so der Referent. In Schierling wird als Anstoß am Wochenende das „1. Ochsenstraßenfest“ im Ortskern gefeiert.

Alte Postkarte mir Viehmarkt
Auf einer alten Schierlinger Postkarte ist die Schierlinger „Viemarktwiese“ zu sehen, die durchaus im Zuge der Ochsenstraße auch zum Ochsenhandel gedient haben kann

Bürgermeister Christian Kiendl freute sich über den großen Zuspruch von 50 Teilnehmern, von denen sich bei der Diskussion einige als echte Spezialisten für alte Straßen erwiesen. Kiendl erinnerte daran, dass Schierling wohl durch seine Brücke über die Große Laber und den damit verbundenen Brücken-Zoll-Einnahmen vor Jahrhunderten von der Ochsenstraße besonders profitiert hat.

Dr. Volkmann ist Diplom-Geograph und Altstraßen-Forscher. Er stellte die Ochsen-Trift von Ungarn nach Zentral- und Westeuropa vor und vermutete, dass ihnen mit dem Verlust der Männlichkeit auch der Verstand geraubt wurde, so dass sie über hunderte von Kilometern „blindlings durchmarschierten“. Die Leute in den Groß- und Reichsstädten wussten damals schon von der hohen Qualität des Ochsenfleisches, die besonders dadurch entsteht, dass das langhörnige Graurind doppelt so lange – nämlich zwei Jahre – wie ein normales Rind bis zur Schlachtreife braucht. Die Tiere wurden meistens in Ungarn in riesigen Herden gezüchtet. Züchter waren Neusiedler, die von den Türken vertrieben worden waren und von der k.u.k.-Monarchie im Rahmen einer Wirtschaftsförderung diese Chance bekamen. Von Ungarn wurden die Ochsen nach Wien gebracht und dort in Herden von 40 bis 200 Tiere auf den langen Weg geschickt. Nach Quellen sind allein im Jahre 1558 rund 550000 Ochsen in Wien verhandelt worden, so Dr. Volkmann. Händler waren vorwiegend Armenier und Juden. Die robusten Tiere legten die Reise – den Weg zur eigenen Schlachtung – über 600 Kilometer zurück, meist in Tagesetappen von 30 Kilometer, wobei jeweils nach zwei Stunden – ungefähr sieben Kilometer – eine Futterstelle und Tränke zu finden war. Im Jahre 1627 waren allein in Augsburg 8200 Ochsen angekommen. Unterwegs seien auf Märkten schon auch Tiere verkauft worden. Deshalb wurde nicht ausgeschlossen, dass die Schierlinger „Viehmarktwiese“ ein solcher Umschlagplatz gewesen sein könnte. Der Wert der Tiere stieg nach Dr. Volkmann vom Ursprung bis zum Metzger enorm. Während in Ungarn für ein Tier 10 Gulden bezahlt wurden, erzielten die Händler in der Stadt 18 bis 39 Gulden. Der Einkauf war so billig, dass trotz der hohen Transport-, Weide-, Treiber und Zettelkosten auf dem langen Weg die in der Heimat gezüchteten Rinder teurer gehandelt wurden. Der Fleischboom war von Italien ausgelöst worden. Es war das urbane Leben der Italiener, das die Mitteleuropäer faszinierte und das sie auch wollten. „Die Ochsen haben bei uns eine dramatische Entwicklung der Ernährung und des wirtschaftlichen Verhaltens ausgelöst“, so Dr. Volkmann.

Dr. Volkmann beim Vortrag
Die Breite der Hörner der langhörnigen Graurinder demonstrierte Dr. Hermann Volkmann bei seinem temperamentvollen Vortrag über die „Ochsenstraße“

Dr. Volkmann forderte dazu auf, die Ochsenstraße als „Kulturspur“ zu begreifen. Den Ochsengerichte gehörten immer zu den Krönungsessen. Mit der „Ochsentour“, den „Ochsenaugen“, der „Ochsenzunge“ und dem „Ochsenmaulsalat“ nannte er einige Elemente einer positiven Vermarktung der Lage an der Ochsenstraße. „Sie haben die Chance der kulturellen Revitalisierung einer Idee, die aus Italien gekommen ist“, fasste Dr. Volkmann zusammen. Sein Werben blieb nicht ungehört.

„Ochsenstraße“ im südlichen Landkreis

Verlauf. An der Trasse von Straubing nach Neustadt liegen die Orte Mötzing, Sünching, Aufhausen, Pfakofen, Schierling und auch das benachbarte Langquaid. Der Dünzlinger Johann Auer, ein ausgewiesener Experte für Altwege, war sich sicher, dass diese Trasse Teil der „Nibelungenstraße“ ist und schon zur Römerzeit auf dieser Straße eine Verbindung zwischen den Kastellen Eining und Straubing vorhanden war.

Ideen. Schierlings Bürgermeister Christian Kiendl brachte eine interkommunale Zusammenarbeit ins Gespräch. Sein Aufhausener Kollege Hans Jurgowsky konnte sich vorstellen, dass auch den vielfach nicht mehr bewirtschafteten Wiesen der Laberaue wieder Ochsen weiden und damit der Landschaftspflege dienen. Gleichzeitig könnte ein Netzwerk mit Gasthäusern und Hotels zur regionalen Vermarktung aufgebaut werden.

Zucht. Wolfgang Treppesch informierte, dass sich im benachbarten Niederleierndorf bereits eine Zucht des „Labertaler Ochsen“ schützen ließ.

Programm. Das 1. Ochsenstraßenfest findet am Samstag von 13 bis 23 Uhr und am Sonntag von 10 bis 20 Uhr am Rathausplatz statt. Die Besucher werden mit ungarischer Gulaschsuppe aus dem Kessel, Fladenbrot, Ochsen-Spießchen, luftgetrocknetem Ochsenfleisch und ungarischen Kuchen verwöhnt. Es gibt Steinheben, Lassowerfen und die kleinen Besucher können sich als „Ox“ fotografieren lassen. Ein Drechsler zeigt, wie mit einer alten Drechselmaschine neben Holz auch Knochen und Horn verarbeitet wurden.

Info. Mehr zu den Aktivitäten rund um „Ochsenstraßen“ und „Ochsenwege“ gibt es im Internet unter externer Linkwww.Oxenweg.net.

Text und Foto: Fritz Wallner