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Enkelin des Schlossherrn von Eggmühl

Wera Gehrke aus Braunschweig verbrachte als Kind Ferien im Schloss und besuchte jetzt Eggmühl

Wera Gehrke mit Postkarten
Wera Gehrke war als Kind oft bei ihrem Opa, dem Schlossherrn von Eggmühl auf Besuch und brachte bei ihrem Besuch alte Postkarten und Fotos mit

SCHIERLING, 21.09.2009. Die 83-jährige Wera Gehrke aus Braunschweig war auf Zeitreise. Einen VW-Bus hat sie zum bescheidenen Wohnmobil ausgebaut. Damit ist sie rund um Eggmühl und Regensburg ihrer Kinderzeit nachgegangen. Ihr Großvater Oskar Hirsch war nämlich etwa 30 Jahre lang der Eigentümer des Schlosses Eggmühl – und Wera durfte von Leipzig aus sehr oft die Sommerferien im idyllischen Eggmühl verbringen.

„Ich kam mir immer wie eine kleine Prinzessin vor!“, erinnert sich die grauhaarige Dame mit leuchtenden Augen. Denn ihr Opa war der Schlossherr. Und der hatte Ansehen im Dorf. Wenn sie mit dem Zug am Bahnhof Eggmühl ankam, wurde sie mit der Pferdekutsche abgeholt. Wer konnte das damals sonst noch erleben? Niemand. Deshalb erinnert sie sich weiter: „Wenn wir mit der Kutsche ausfuhren, haben die Leute in Eggmühl große Augen gemacht“. Ein Mädchentraum, der einem Märchen glich.

Postkarte mit Ansichten von Eggmühl, 1925
Postkarte mit Ansichten von Eggmühl von 1928  
Schlossherr
Oberlehrer Oskar Hirsch auf einem Foto aus der Zeit um 1925

Wie ihr Opa, der Oberlehrer Oskar Hirsch, so um das Jahr 1920 zu dem damals wohl sehr vernachlässigten Schloss kam, das weiß auch Wera Gehrke nicht. Er stammte aus dem Ort Ursprung im sächsischen Erzgebirge. Noch heute findet sie es ungewöhnlich. Denn im Vergleich dazu ging es ihrer Mutter zur selben Zeit in Leipzig sehr schlecht. „Meine Mutter ist buchstäblich verhungert“, erinnert sie sich.

Sie jedenfalls durfte zwischen 1932 und 1938 immer zum Opa fahren. Die Mama hängte ihr ein Schild um mit der Zieladresse und setzte sie in Leipzig in den Zug. „Schaffner haben sich dann um mich gekümmert“, erinnert sich Wera. Schön sei die Zeit gewesen. Als besonderes Erlebnis hat sie den Kontakt mit dem damaligen Fürst Albert von Thurn und Taxis im Kopf. „Ich musste einen tiefen Knicks machen und ihn mit Hoheit ansprechen.“ Es scheint, als ob ihr das noch heute sehr viel wert ist.

Der Eingang des Schlosses
Eingang des Schlosses, Foto aus dem Jahr 1925

Neben den Ausflügen nach Regensburg und zur Walhalla sowie zum Regensburger Schloss musste sie auch ein wenig arbeiten im Schloss Eggmühl. Strümpfe stopfen, Ziegen füttern und im Tomatengarten am Schlosswall grasen. Die meiste Zeit während des Aufenthalts von fünf bis sechs Wochen gehörte aber dem Spielen. Der inzwischen verstorbene Johann Weinberger ist ihr am besten im Gedächtnis geblieben. Sie erinnert sich nach über 70 Jahren aber auch noch an die Familie Beck und an das Lebensmittelgeschäft „Ötzinger“ sowie an eine Familie Hinterhuber.

Wera Gehrke weilte einige Tage in Eggmühl und Schierling. Sie freute sich, dass sie von Alfons Keck durch das Haus geführt wurde und auch mit der Famiie Brattinger Kontakt bekam. Und je länger sie sich im Areal bewegte, umso klarer wurden die Konturen. „Die Remise, wo früher die Kutsche stand, ist heute der Aufenthaltsraum des Seniorenheimes“, doziert sie. Und überhaupt gefällt es ihr sehr gut, wie das Haus in Schuss ist und was alles dazu gebaut worden ist.

Ihr Opa ist 1949 verstorben und hat sein Grab unmittelbar an der Eggmühler Kirche. Wera Gehrke hinterlässt im Schierlinger Rathaus neben ihrem Bericht auch einen Schatz in Form von Fotos und Postkarten. Einige davon hat bisher niemand zu Gesicht bekommen.

Innenhof des Schlosses Eggmühl
Der Innenhof des Schlosses (ca. 1925)

Kurze Geschichte des Schlosses

Bereits im Jahre 1182/1183 wird Walter de Eginenmoil als Eigentümer der Burg Eggmühl genannt. 1243 ist Ritter Ulrich II. (der vom Papst exkommuniziert wird) Lehensträger, 1334 erscheint Kaiser Ludwig der Bayer als Lehensherr. 1475 – im Jahr der Landshuter Hochzeit – verkauft Pfalzgraf Otto II. von Mosbach das Schloss Eggmühl an seinen Vetter Ludwig den Reichen. Ab 1520 verbleibt das Schloss in den Händen der bayerischen Herzöge. Damals noch mit Bergfried und Brauerei. Ab 1806 darf es sich „königlich-bayerisches“ Schloss nennen. Nach Napoleons Niederlage beim Feldzug gegen die Russen war von 1812 bis 1834 Graf Montgelas, einer der bedeutendsten Staatsmänner seiner Zeit, Eigentümer. Dann folgte Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis, der das Schloss wohl verkommen ließ. 1920 wird Oskar Hirsch Eigentümer. Ein Jahr nach dessen Tod gab seine Witwe das Areal weiter an den damaligen Landkreis Mallersdorf, der es in ein Heim „für alte und gebrechliche Leute“ umbaute. 1963 ging es schließlich für 62000 Mark an das Bayerische Rote Kreuz.

Text und Fotos: Fritz Wallner