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Schierling ächtet ausbeuterische Kinderarbeit

Ausschuss für Bürgerkultur und Stadtmarketing: Keine Beschaffung von Waren mit ausbeuterischer Kinderarbeit

SCHIERLING, 26.10.2008. Der Markt Schierling wird sich als erste Gemeinde im Landkreis Regensburg ausdrücklich der Initiative gegen ausbeuterische Kinderarbeit anschließen. Der Ausschuss für Bürgerkultur und Stadtmarketing sprach sich dafür aus, dass künftig von Herstellern, Anbietern oder Lieferanten eine Eigenerklärung verlangt wird, wonach ihre Produkte nicht mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt sind. Außerdem soll der Kauf von regionalen und fair gehandelten Waren gefördert werden.

Kinder in Afrika
Mehr 125 Millionen Kinder vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika leider derzeit unter ausbeuterischer Kinderarbeit

Bürgermeister Christian Kiendl verwies darauf, dass mit der Globalisierung und Liberalisierung die Welt näher zusammenrückt. „Dies bringt große Chancen aber auch Risiken“, so Kiendl. Eines dieser Risiken sei, dass Waren in Umlauf kommen, die mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt sind. Die internationale Arbeitsorganisation schätzte im Mai 2006, dass etwa 126 Millionen Kinder weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten. Der Bayerische Landtag hat nach Kiendl im letzten Jahr als erstes deutsches Parlament den ausdrücklichen Verzicht auf die Beschaffung solcher Produkte beschlossen. Gleichzeitig wurden die Kommunen aufgefordert auch so zu handeln, denn die öffentliche Hand habe eine Vorbildfunktion.
Besonders betroffen seien Produkte aus Asien, Afrika und Lateinamerika und es gehe vor allem um Sportartikel, Spielwaren, Lederprodukte, Billigprodukte aus Holz, Natursteine und Agrarprodukte, wie Kaffee, Kakao, Orangen- und Tomatensaft. „Für uns werden vor allem Naturstein, Holz- und Agrarprodukte relevant sein“, so Kiendl. Beim Bauabschnitt 06 der Ortskernumgestaltung im Rahmen der Städtebauförderung sei das Granitmaterial aus Tschechien gekommen, sagte der Bürgermeister. Damit sei die Gefahr der Kinderarbeit ausgeschlossen. Helmut Specht erinnerte daran, dass bei früheren Abschnitten das Natursteinmaterial aus China gekommen ist und es damals schon Bedenken und Nachfragen gegeben hat. Die Ausschussmitglieder waren sich einig, dass die Wirtschaftlichkeit nicht über den Schutz von Menschen gestellt werden darf. Und es bestand Klarheit darüber, dass Unternehmen von einer Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, wenn sie wahrheitswidrige Angaben machen. Als ein Vorbild dient die Stadt Landshut, die seit 2005 bei allen Beschaffungen die Grundsätze gegen ausbeuterische Kinderarbeit und des fairen Handels umsetzt. „Es ist klar, dass die Überwachung sehr schwierig ist“, so der Bürgermeister. Doch dies dürfe die Initiative nicht verhindern, denn viele Nichtregierungsorganisationen (NGO) nehmen weltweit Überprüfungen vor und es würden auch die Anstrengungen vieler Betriebe im Internet dokumentiert. Alle Ausschussmitglieder stimmten dem Vorhaben zu. Die endgültige Entscheidung wird der Marktgemeinderat im November treffen.

Interview

Bgm. Christian Kiendl
Bgm. Christian Kiendl

Schierlings Bürgermeister Christian Kiendl stellte gegenüber dem Ausschuss für Bürgerkultur und Stadtmarketing fest, dass es sich bei seinem Vorschlag nicht um eine „Schaufensteraktion“ handelt. Wir fragten nach.

Herr Bürgermeister, wo sehen sie die konkreten Chancen für die Verbesserung der Situation der Kinder weltweit?
Kiendl: Unser Beschluss wird im jetzigen Stadium in erster Linie Bildungscharakter haben. Wir alle sollen noch mehr sensibilisiert werden für die grausame weltweite Ausbeutung von Kindern und wir müssen uns ausdrücklich dagegen stellen. Dann wird die Nachfrage nach Produkten ohne ausbeuterische Kinderarbeit steigen, Hersteller und Händler werden hellhörig und machen sich Gedanken, wie sie die Einhaltung von Sozial-, Arbeitsschutz- und Umweltgesetzen in der weltweiten Produktionskette sicherstellen können.

Sie haben für die Kommune vor allem den Bereich der Natursteine genannt. Welche Produkte sind für die Bürger interessant?
Kiendl: Die Bürger sollen wissen, dass zum Beispiel viele Kinder in Indien und China mit der Herstellung von Feuerwerkskörpern schon im Alter von fünf bis sieben Jahren beginnen. Sie färben Papier, füllen Feuerwerkskörper mit Schwarzpulver, befestigen die Zündschnüre und verpacken das fertige Produkt. Meistens 7 bis 12 Stunden am Tag. Kinder arbeiten in dunklen Hütten in verkrampften Positionen. Sie arbeiten mit gefährlichen Chemikalien, wie Chlor, Phosphat und Schwefel. Ärzte berichten, dass Kinder unter chronischer Bronchitis, Tuberkulose, Lungenentzündung, Unterernährung, Haut- und Augenkrankheiten, Erschöpfung und Verbrennungen leiden. In hoch entwickelten Ländern wird dieses Zeug dann billig gekauft und an Silvester in die Luft geschossen. Das muss sich ändern.

Was raten sie den Bürgern und wie wird sich der Markt Schierling verhalten?
Kiendl: Ich rate in erster Linie zum Einkauf von einheimischen regionalen Produkten. Und für all die Dinge, die es bei uns nicht gibt, müssen wir verstärkt auf fairen Handel achten. Das ist wirklich nachhaltiges Handeln. Wir sollen gewiss sein, dass das, was wir kaufen, unter fairen Bedingungen bei den Sozialstandards, Arbeitsbedingungen und Löhnen und nicht unter Ausbeutung anderer Menschen hergestellt worden ist. Das gilt auch zum Beispiel für Kaffee und Kakao und für manch anderes, das schon jetzt im „fairen Handel“ angeboten wird. Und bei der Ausschreibung von öffentlichen Bauarbeiten werden wir in Zukunft von jedem Bieter die Erklärung verlangen, dass die von ihm angebotenen Produkte nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen.

Mehr Informationen im Internet unter
externer Link www.bayern-gegen-ausbeuterische-kinderarbeit.de/
externer Link www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/
externer Link www.fairhandeln-bayern.de/

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Text, Interview und Fotos: Fritz Wallner