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250. Geburtstag von Pater Placidus Heinrich

Berühmtester Sohn Schierlings – Mönch und Himmelsforscher

Portrait Placidus Heinrichs
Portrait von Placidus Heinrich, Öl auf Leinwand, Original im historischen Museum der Stadt Regensburg

SCHIERLING, 18.10.2008. Am Sonntag, 19. Oktober, vor 250 Jahren ist der Benediktinermönch Placidus Heinrich in Schierling geboren. Als Priester, Lehrer, Forscher und Gelehrter drang der Ruhm des blitzgescheiten Mannes in einen großen Teil der damaligen Welt – bis ins russische Sankt Petersburg. Der „fromme Professor“ starb 1825 in Regensburg, wo er zuletzt nach der Säkularisation und dem Konkordat zwischen Bayern und dem Vatikan als Domkapitular wirkte. Zuvor hatte er – nach der zwanghaften Auflösung des Klosters St. Emmeram - zehn Jahre im „Placidus-Turm“ auf dem Gelände von Thurn und Taxis seine astronomischen und meteorologischen Studien fortgesetzt.

Gedenktafel an der Volksschule Schierling
Gedenktafel an der Placidus-Heinrich-Volksschule Schierling

In Schierling kennt ihn jedes Kind. Denn vor 25 Jahren erhielt die Volksschule den Namen des berühmtesten Bürgers der Gemeinde. Vom Pfarrgemeinderat stammte die Anregung dafür, denn es sollte stärker ins Bewusstsein gerückt werden, dass auch aus einem einfachen Dorf, wie es Schierling war, große Gestalten hervorkommen können, wenn sie selbst den Willen dazu haben und auch entsprechend gefördert werden. Der damalige Schulleiter, Rektor Georg Rötzer, formulierte bei der feierlichen Namensgebung durch Bischof em. Dr. Rudolf Graber den Grund für die „Placidus-Heinrich-Volksschule“ so: „So fällt dem schlichten Gelehrten in unserer kurzatmigen und schmalbrüstigen Zeit die Aufgabe zu, einer späten Generation seines Heimatortes Symbol und dem einen oder anderen vielleicht auch Impuls und Wegweiser dafür zu sein, dass Beständigkeit und Ausdauer solide Grundlagen zur eigenen erfolgreichen Lebensbewältigung sind.“

Einfluss der Jesuiten

Geburtshaus von Placidus Heinrich
Das Geburtshaus von Placidus Heinrich in Schierling, das im Jahre 1974 abgebrochen worden ist

Der spätere berühmte Pater Placidus wurde 1758 als „Joseph Heinrich“ geboren. Zu dieser Zeit stand Schierling bereits seit gut einhundert Jahren unter dem besonderen Einfluss des Straubinger Kollegs der Jesuiten. Ihr Wirken hatte entscheidende Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, die städtebauliche Erneuerung und für das religiöse Leben sowie die Bildung. Insgesamt erlebte Schierling während dieser Zeit eine bis dorthin und seither nicht gekannte Blüte. Die Schulbildung hatte einen hohen Stellenwert. Trotz der „niedrigen und äußerst beschränkten Schulzimmer“ hätten sich 160 bis 170 schulpflichtige Kinder versammelt, so berichtet Chronist Hans Strasser unter Bezugnahme auf das Pfarrarchiv Schierling. Vor diesem Hintergrund war Schierling nicht mehr das „einfache“ Dorf, sondern eines mit Privilegien. Mit der gewaltsamen Aufhebung des Ordens durch Papst Clemens XIV im Jahre 1773 - auf Betreiben der europäischen Fürstenhäuser - wurde diese Entwicklung jäh beendet.

Junger Priester

Placidus Heinrichs Vater Thomas war ein einfacher Wollwirker. Doch er wusste um die Wichtigkeit einer fundamentalen Ausbildung, erkannte das Talent des Buben und schickte ihn nach den Schierlinger Volksschuljahren an die „Aula scholastica der Alten Kapelle“, das bischöfliche Gymnasium, nach Regensburg. Joseph Heinrich bekam Kontakt zu den Benediktinern und suchte nach Abschluss des Gymnasiums im Jahre 1775 um Aufnahme in das Reichsstift St. Emmeram nach. Nach einem einjährigen Noviziat in der Abtei Scheyern legte er in St. Emmeram das Gelübde ab und erhielt den Ordensnamen Placidus. Schon mit 24 Jahren erhielt er im Anschluss an das Theologiestudium die Priesterweihe. Von Mai 1788 bis Dezember 1791 wirkte er neben seiner Aufgaben als Ordensmann und Wissenschaftler auch als Pfarrvikar in Schwabelweis.

Der Wissenschaftler

Tellurium und Lunarium

Fürstabt Frobenius Forster gilt als Schöpfer des „goldenen Zeitalters von St. Emmeram“. Unter seiner Führung blühten im Kloster auch die Naturwissenschaften, wurde St. Emmeram zu einem Bildungsmittelpunkt zahlreicher Klöster und Ort wissenschaftlicher Ausbildung für junge Mönche. Frobenius erkannte schnell die hohe Begabung von Placidus Heinrich für Mathematik und Physik und vertraute ihn Pater Coelestin Steiglehner an, der diese Fächer lehrte. Der Mönch Placidus beschäftigte sich schon damals mit Beobachtungen der Sonnenflecken, er war zielstrebig und erhielt bald den ersten Lehrauftrag. Mit 27 Jahren, im Jahre 1785, hielt er seine ersten Vorlesungen über Experimentalphysik. Ein Jahr später hat er bereits 14 Kollegien aus der Mathematik auf dem Programm. Unter seinen Hörern waren auch Söhne von Reichstagsgesandten. Pater Placidus erwarb sich bald hohes Ansehen auch aufgrund seiner Veröffentlichungen.

Auf Vorschlag von Pater Coelestin berief ihn Kurfürst Karl Theodor am 17. Dezember 1791 zum Nachfolger Steiglehners als Professor für Naturlehre, der physikalischen Versuche, der Sternen- und Witterungskunde an der Universität Ingolstadt. Während dieser Zeit forschte Placidus Heinrich vor allem zu meteorologischen Fragen.

Niedergang St. Emmerams

Repetitionskreis
Repetitionskreis (Paris, um 1795)

Placidus Heinrich erkrankte schwer und bat um seine Rückberufung nach Regensburg, die 1798 gewährt wurde. Bis 1802 übernahm er im Seminar des Klosters St. Emmeram wieder das Lehramt der Philosophie. Auf der Sternwarte des Klosters vergrößerte er die astronomische Sammlung.

Der Mönch Placidus erlebte schließlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts den gewaltigen Umbruch im politischen und kirchlichen Leben. Der „Reichsdeputationshauptschluss“ vom 25. Februar 1803 brachte das gewaltsame Ende der Reichskirche sowie die Aufhebung fast aller Stifte und Klöster. Auch St. Emmeram war davon betroffen, denn Ende 1802 nahm Fürst- Erzbischof Carl von Dalberg (1744 – 1817) davon Besitz. Dalberg hatte den ihm anvertrauten Institutionen als Herr des Fürstentums Regensburg zwar jede mögliche Schonung angedeihen lassen. Doch er erleidet das Schicksal des letzten Bischofs einer Kirche von Regensburg, deren geistlicher Charakter über viele Jahrhunderte hin durch Herrschaft und Besitz überlagert war und die Adelskirche gewesen ist. An St. Emmeram gingen die Ereignisse nicht spurlos vorüber. Die klösterliche Disziplin verfiel und der Fortbestand des Klosters war ernsthaft gefährdet. Placidus Heinrich ließ sich nicht beirren. Er blieb seiner priesterlichen Berufung und seinen Forschungen treu. In die Dalberg-Zeit fielen u.a. Heinrichs Veröffentlichung 'Pyrometrische Versuche über Ausdehnung des Eisens und der Holzkohle' (Münchener akademische Abhandlung 1808) und die Untersuchung 'von der Natur und den Eigenschaften des Lichtes, eine chemisch-physikalische Abhandlung'. Genannt seien auch zwei speziell auf Regensburg bezogene Arbeiten: 'Bestimmung der Maße und Gewichte des Fürstentums Regensburg (1808)' und 'Monumentum Keplerio deticatum Ratisbonae die 27. Dec. 1808'.

In den Placidus-Turm

Altes Foto des Turms
Placidus-Turm, Foto im Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv Regensburg

Die Tage des Emmeramer Konvents waren inzwischen endgültig gezählt. Dalberg hatte die Ordensgeistlichen von ihren Gelübden gelöst. Am 22. Mai 1810 wurde die Stadt in den Besitz des Königreiches Bayern übergeben. Heinrich legte 1811 das langjährig ausgeübte Amt des Inspektors der Emmeramer Präbende nieder, entschloss sich aber, in Regensburg zu bleiben. Im selben Jahr erhielt das Generallandeskommissariat des Regenkreises den „Auftrag, den Professor Placidus Heinrich zur Teilnahme am physikalischen und chemischen Unterricht am Lyzeum einzuladen“. Am 4. November nahm „der auch im entferntesten Ausland rühmlichst bekannte und noch fortwährend tätige Mann“ - so der Generalkommissar an den König - die Berufung an. Mit der Unterzeichnung des Vertrages zwischen Bayern und Thurn und Taxis war die Räumung auch der Stiftsgebäude zur unumstößlichen Tatsache geworden. Heinrich musste sich um ein neues Domizil bemühen. Fürst Alexander von Thurn und Taxis überließ ihm „den Turm im fürstlichen Hofgarten“ zu astronomischen und meteorologischen Studien. Der Jahresbericht des Lyzeums vermerkt 1814: „Wir sind stolz darauf, daß wir von allen öffentlichen Instituten des Vaterlandes allein einer solchen Anstalt uns rühmen können.“ Dieser Stolz war sicherlich berechtigt. Heinrich hatte ein ausgezeichnetes Instrumentarium zur Hand. Er hatte sich Geräte anfertigen lassen, die eine wesentliche Verbesserung seiner Arbeit versprachen. Von Abt Steiglehner erhielt er zusätzlich wichtige und wertvolle Instrumente „zum Andenken unserer 37jährigen Verbindung“ geschenkt und von Dalberg ließ ihm „ein wahrhaft königliches Geschenk: einen 16zölligen, von Fortin in Paris neu und trefflich gearbeiteten Multiplicationskreis“ zukommen.

Wer sich heute bei einem Regensburger, selbst der älteren Generation, nach dem 'Placidus-Turm' erkundigen wollte, müßte sich wohl mit einem ratlosen Achselzucken als Antwort zufrieden geben. Er existiert nur noch auf älteren Plänen der Stadt Regensburg als das Gebäude R XXVIII am St.-Peters-Weg, an der Nordseite des fürstlichen Parks, gegenüber dem ehemaligen Obermünsterstift.

Im Jahre 1902 hatte der alte Stadtmauerturm einer Straßenerweiterung im Wege gestanden.

Der Domkapitular

Durch das bayerische Konkordat wurde im Jahre 1821 auch das Regensburger Domkapitel neu installiert. Den bloßen Pfründegenuss und das geschäftslose Dasein der (sehr zahlreichen) Domherren der reichskirchlichen Epoche gab es nicht mehr. Damit hatte wie von selber der Adel jedes Interesse an den geistlichen Ämtern verloren. Die neuen waren weniger und zumeist theologisch gut gerüstet und nichtadeliger Herkunft. Sie hatten zusammen mit dem Bischof alle Obliegenheiten der Bistumsverwaltung in eigener Person wahrzunehmen. Zusammen mit dem späteren Bischof Johann Michael Sailer gehörte Placidus Heinrich zu den neu ernannten Domkapitularen. „Nachdem ich mich volle 40 Jahre mit weltlichen Studien abgegeben habe, kehre ich nun zu meinem ersten geistlichen Beruf zurück, wie ich es 1776 Gott feierlich gelobt habe.“, bekannte Placidus Heinrich 1822 der Äbtissin Morasch in Eichstätt. Er zog nach zehn Jahren von seinem Turm in das Domkapitelhaus um. Doch lange konnte er nicht mehr wirken. Sein körperlicher Verfall war unübersehbar. So hatte er u.a., wohl als Folge seiner Versuche mit Quecksilber und Phosphoreszenz, sämtliche Zähne verloren. Am 18. Januar 1825 verstarb Pater Placidus Heinrich.

Auszeichnungen

Im Jahre 1789 wurde Placidus Heinrich außerordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1808 erhielt er von der kaiserlich russischen Akademie Petersburg die Hälfte des ausgesetzten Preises für seine Schrift „Von der Natur und den Eigenschaften des Lichts“. 1809 erhielt er den Ruf als Ehrenmitglied der Akademie Erfurt. 1811 wurde er korrespondierendes und 1822 Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Wissenschaft St. Petersburg. 1823 erfolgte die Aufnahme in die Leopoldinische Akademie der Naturforscher.

Erinnerung

Text: Fritz Wallner

Quellenhinweise:

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