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„Ja aber“ für Biogasanlage

4 ½-stündige Klausurtagung des Marktgemeinderates mit Experten – Nutzen für die lokale Landwirtschaft und für die Gasabnehmer angestrebt

SCHIERLING, 14.10.2008. Sofern die Standortfrage positiv geklärt werden kann, gibt es gute Aussichten, dass auf dem Gebiet des Marktes Schierling eine Biogasanlage gebaut werden kann, die mit nachwachsenden Rohstoffen betrieben wird. Es soll damit Gas erzeugt und in das Erdgasnetz eingespeist werden. Dieses Gas ist nahezu CO2-neutral und damit sehr umweltfreundlich. Der Marktgemeinderat beriet bei einer Klausurtagung im „topfour“ rund viereinhalb Stunden und wünschte sich vor allem, dass die nachwachsenden Rohstoffe allein von lokalen Landwirten kommen und dass die interessierte Bevölkerung auch einen Nutzen von der umweltfreundlichen Energie haben kann.

Das Plenum links im Saal
Das Plenum rechts im Saal
Noch für kein Thema hat sich der Marktgemeinderat Schierling an einem Stück so viel Zeit genommen. Für eine mögliche Biogasanlage fand eine viereinhalbstündige Klausurtagung statt, deren Informationswert von allen Teilnehmern gelobt wurde.

Der Marktgemeinderat müsste für eine Biogasanlage mit einem Bebauungsplan Baurecht schaffen. Das war der Hauptgrund dafür, dass man sich äußerst intensiv mit der Materie beschäftigte und Fachleute verschiedener Richtungen hörte. „Das ist eine außergewöhnliche Herangehensweise“, wurde den Schierlingern bescheinigt. Bürgermeister Christian Kiendl informierte das Gremium, dass es derzeit zwei Interessenten als Investoren und Betreiber für eine Biogasanlage auf dem Gebiet der Gemeinde Schierling gibt. Die Klausurtagung begründete er damit, dass vor einer Entscheidung alle Fakten auf den Tisch gelegt und abgewogen werden müssen. Denn es handle sich um eine zukunftweisende Entscheidung. Er fasste nach viereinhalb Stunden das Ergebnis mit „Ja, aber“ zusammen. Kiendl freute sich, einige Schritte vorangekommen zu sein, doch müsse die Entscheidung nach weiteren Beratungen reiflich überlegt werden. Für Moderator Wolfgang Grubwinkler war klar, dass sich nach der intensiven Denkarbeit eine besondere Lösung für Schierling herausschälen wird. „Nicht so wie bei den anderen 3500 Anlagen, die es jetzt schon in Deutschland gibt“, so Grubwinkler, sondern eine speziell Schierlinger Lösung. Es nahmen alle Mitglieder des Marktgemeinderates teil und außerdem Vetreter der Landwirtschaft, des Waldbesitzervereins, des Gewerbevereins und des Bund Naturschutz.

Moderator Wolfgang Grubwinkler
Moderator Wolfgang Grubwinkler erkannte einen besonderen „Schierlinger Weg“, der zum Erfolg führen kann

Einstiegsreferate

Gerhard Gruber
Gerhard Gruber, Regionalmanager Wirtschaft im Landratsamt Regensburg

Drei Einstiegsreferate brachten die Klausurteilnehmer auf einen gemeinsamen aktuellen Informationsstand. Diplom-Kaufmann Gerhard Gruber, der Regionalmanager Wirtschaft im Landratsamt Regensburg, stellte das Biogas-Konzept des Landkreises vor. Biogas sei ein „Multitalent“, weil damit Strom, Wärme und Kraftstoff erzeugt werden könne. Ideal sei es, wenn das Gas in das Erdgasnetz eingespeist und dort entnommen wird wo es gebraucht wird. Die Vorteile für die Region seien vor allem die Förderung der lokalen Landwirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen, regionale Wertschöpfung und der Imagegewinn. „In Schierling gibt es ideale Voraussetzungen!“, so Gruber. Das erforderliche Grundstück soll von einer landkreisweiten Biogas-Entwicklungs-GmbH erworben werden, an der nach Gerhard Gruber der Landkreis mit 4,95 und die Gemeinde mit 95,05 Prozent beteiligt ist. Der Kauf wird zu 100 Prozent über Kredite finanziert. Die Zinsen können mit den Pachteinnahmen geleistet werden. „Damit binden wir alle Beteiligten zusammen und wir stellen über eine Bürgschaft sicher, dass die Anlage zurück gebaut wird, wenn sie nicht mehr gebraucht wird“, so Gruber. Als besonders wichtig hielt er es, dass mit diesem System auch der Markt Schierling langfristig an der Erzeugung regenerativer Energien beteiligt wäre.

Robert Wagner
Robert Wagner, C.A.R.M.E.N.

Dipl.-Ingenieur Robert Wagner vom Straubinger Centralen-Agrar-Rohstoff-Marketing und Entwicklungsnetzwerk (C.A.R.M.E.N.) informierte, dass bis zum Jahre 2020 50 Prozent der konventionellen Kraftwerke erneuert und 30 Prozent der Atomkraftwerke vom Netz gehen werden. Mit Biogas sei es möglich, etwa 10 Prozent des gesamten deutschen Energiebedarfs zu decken und gleichzeitig einen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung und zum Klimaschutz zu leisten. Der Anbau von Energiepflanzen auf Äckern sei nach Wagner nichts Neues. „Vor etwa 100 Jahren wurde ein Drittel der Haferernte an die Pferde verfüttert“, so Wagner. Und heute werde aus der europäischen Getreideernte zu 1,6 Prozent Biokraftstoff, zu 22,1 Prozent Nahrung und zu 58,1 Prozent Tierfutter. Sein Fazit: „Es gibt keine Teller-Tank-Konkurrenz, sondern einTank-Trog-Konkurrenz!“. Mit der Biogasanlage sei auch ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung des ländlichen Raumes möglich. „Ideal ist es, wenn die Rohstoffe aus einem Umkreis von 10 Kilometer kommen“, so Wagner. Er brachte die Nutzung von frei werdenden Wiesen ins Gespräch.

Dr. Josef Rampl
Dr. Josef Rampl, Bayerischer Müllerbund

Geschäftsführer Dr. Josef Rampl vom Bayerischen Müllerbund sah die Entwicklung kritischer, denn durch den Konkurrenzkampf um die Ackerflächen „steuern wir auf einen Getreidemarkt zu, der unberechenbar ist“, so Dr. Rampl. Dies müssten sich vor allem auch die Landwirte vor Augen halten. Denn der Markt beim Getreide stehe „auf des Messers Schneide!“. Es bestehe zudem die Gefahr, dass die Nahrungsmittelpreise in den Entwicklungsländern unerschwinglich würden und die Armut steige und er warnte vor Gülle-Tourismus sowie vor einer Geruchsbelastung durch Schwefelverbindungen.

Position der Landwirtschaft

Josef Auburger stellte die Position der Landwirte dar. Zusammen mit Robert Christl, Wolfgang Blüml und Thomas Listl habe er überlegt, „was die Bauern selbst wollen“. Die Bauernschaft sei in dieser Frage nicht geschlossen. Deshalb hätten sie „hausiert“ und 41 Landwirtskollegen befragt. Dabei stellte sich heraus, dass die Akzeptanz zum größten Teil da sei. Für die Landwirtschaft sei es besser, wenn sie ihre Erzeugnisse zum Teil für die Nahrungsmittel und zum Teil für die Energie anbieten. Damit könne der Preis im Mix stabil bleiben. „Eine Biogasanlage für die Kraft-Wärme-Kopplung ist gestorben“, machte Auburger aufgrund seiner Erfahrung als Lohnunternehmer in diesem Bereich deutlich. Denn es gebe keinen Wärmeabnehmer, der das ganze Jahr hinweg abnimmt. Außerdem liege die Energieeffiziens bei der Gasherstellung bei 80 Prozent. Die Landwirte legten eine Liste mit 14 Pflanzen vor, die auf Äckern als nachwachsende Rohstoffe gepflanzt werden könnten. „Da sind Pflanzen dabei, die wir bisher gar nicht kannten“, wurde ergänzt. Bei der Befragung hätten die Landwirte gut 400 Hektar (der insgesamt in Schierling vorhandenen 5800 Hektar) Ackerflächen für die Belieferung einer Biogasanlage angemeldet. Dies würde eine Anlage von 1,4 Megawatt elektrischer Energie entsprechen. Zusammen mit dem Grasschnitt und weiteren Landwirten rechnete er mit einer 2-Megawatt-Anlage. Christl machte deutlich, dass gerade in Schierling das Gras der Wiesen in den Laberauen genutzt werden könnte. Insgesamt umfassen die Auen etwa 650 Hektar. Die Landwirte sicherten zu, dass nicht „jedes Fleckerl“, das bisher brach liegt oder extensiv genutzt wird, in Zukunft intensiv bebaut wird. Dr. Hans Strasser befürchtete eine Gefahr für die Artenvielfalt in der Aue. Doch diese Sorge zerstreute Christl mit dem Hinweis, dass die Hälfte der Wiesenflächen im FFH-Gebiet liegen und damit nicht in Betracht kommen. Christl schloss auch den Anbau von genmanipulierten Pflanzen aus. Er bedauerte im Nachhinein, dass nicht alle Landwirte befragt worden sind, machte aber unmissverständlich deutlich, dass kein Interessent ausgeschlossen werden soll. Wolfgang Blüml hielt es für die beste Lösung, wenn kein Landwirt weiter als 5 Kilometer Anfahrt hätte. Der Knackpunkt für eine Realisierung wird wohl der Standort der Anlage sein. Es wurden eine Fläche zwischen Zaitzkofen und Inkofen und eine weitere zwischen Buchhausen und Schierling ins Gespräch gebracht. Beide liegen nahe der Erdgasleitung. Ein wichtiges Kriterium wird die Belastung durch Anlieferungs- und Rücklieferungsverkehr des Endsubstrats sein. Bei einer 1,4-Megawatt-Anlage wird mit rund 2200 Fahrzeugbewegungen jährlich gerechnet. „Der Verkehr bleibt gleich, egal, ob wir zum Lagerhaus liefern oder zur Biogasanlage“, sagte Robert Christl. Im Rahmen einer Selbstverpflichtung wünschte sich Bürgermeister Kiendl, dass ein Mindestabstand von 500 Meter zur nächsten Wohnbebauung bleibt.

Das Ergebnis

Dr. Josef Kindler forderte vehement einen konkreten Nutzen für die Bevölkerung. Nach einer ausführlichen Diskussion zeichnete sich ab, dass mit einer künftigen Schierlinger Biogas-Anlage allein Gas erzeugt werden, das in das Erdgasnetz eingespeist wird. Eine Verpflichtung zur Abnahme oder gar eine Preisgarantie des Erdgasversorgers gibt es allerdings nicht. In Gesprächen mit Erdgas Südbayern soll erreicht werden, dass möglichst in vielen Häusern und Betrieben wärmegeführte Mini-Blockheizkraftwerke installiert werden. Weil für diese virtuell Biogas abgenommen werden könnte, sei die finanzielle Förderung über das Erneuerebare Energiengesetz (EEG) möglich. Bisher kenne er ein solches Modell nicht, so Wagner, doch sei es faszinierend, weil damit ein lokaler Bezug für den Gas-Händler hergestellt wird. Und es sichere, dass keine Reststoffe in der Anlage verarbeitet werden. Für diese sieht nämlich das Gesetz eine Förderung nicht vor.

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Text und Fotos: Fritz Wallner