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Bruder Bernhard Sarnes (Schierling) von den "Kleinen Brüdern Jesu" bei Missionseinsatz vor 40 Jahren in Afrika ermordet

Einen "Märtyrer unserer Tage" nannte Pfarrer Hans Bock den vor vierzig Jahren im damaligen Kongo von Rebellen ermordeten Bruder Bernhard Sarnes aus Schierling von den "Kleinen Brüdern Jesu". Der 28jährige angehende Priester - Sohn des Schulleiters Bruno Sarnes - stand kurz vor dem Abschluss seiner Mission in dem Ort Etabe und wartete auf den Rückflug, doch kurz vorher wurde er von Rebellen erschossen. Das eigentliche Ziel des ruhigen, aber zielgerichteten jungen Mannes war gewesen, in Russland das Reich Gottes zu verkünden. Mit einem Gedenkgottesdienst in der Schierlinger Pfarrkirche erinnern am Freitag, 26. November um 11 Uhr in der Pfarrkirche Freunde aus früheren Tagen an das Opfer der Kongokrise. Diese Krise hatte zu einem enormen Autoritätsverlust für die UN geführt, weil es ihr - wie heute - nicht gelang, sich gegen die widerstreitenden Interessen durchzusetzen.

Bruder Bernhard Sarnes in Afrika
Bruder Bernhard Sarnes war vor 40 Jahren von Schierling aus nach Afrika in die Mission gezogen und wurde kurz vor seiner Rückkehr ermordet

Schon im Abiturzeugnis des Humanistischen Gymnasiums Straubing wurde dem im Januar 1936 in Haldenau/Oberschlesien geborenen jungen Mann bescheinigt: "Sein überlegtes, gediegenes Arbeiten entsprang seinem ruhigen, besonnen Wesen". Das bestätigten auch seine "Brüder", die ihn fast drei Jahre im Kongo kennen gelernt hatten. Der Hamburger Karel Sala berichtete der schmerzerfüllten Familie Sarnes schon zwei Wochen nach der Ermordung, dass Bernhard eine "ganz gute Gesundheit hatte und für 4 arbeiten konnte". Er sagte nicht viel und war ein wenig schüchtern "und sprach niemals mit lauter Stimme zu den Pygmäen", so Bruder Karel. Er rühmte auch die vielen Begabungen von Bernhard Sarnes, der einen Backofen für das Brot baute, eine mechanische Säge mit Hilfe des kleinen Autos betrieb. "Er kochte für uns, wie sonst keiner!" rühmte er Bernhard und berichtete, dass es einige Wochen im 800 Meter hoch gelegenen Ort Etabe nur Reis gab. Doch er konnte ihn auf verschiedene Weise zubereiten. Den Dienst versah er mit seinem französischen Freund Andre Gorse. Beide hatten nach der Beobachtung von Karel Sala "ziemlich denselben Charakter und waren Menschen vom Gebet". Er bewunderte den Mut des Deutschen, der niemals Angst hatte. Bernhard lachte immer und Bruder Karel war sicher: "nur gute, hingebungsvolle Brüder konnten dort wirken. Bernhard war ein solcher Bruder, das kann ich bezeugen."

Der junge Bernhard hatte die "Gemeinschaft der Kleinen Brüder Jesu" des Charles de Foucauld bei Ferienreisen in Frankreich und einem Vortrag im Straubinger Knabenseminar kennen gelernt. "In Bezug auf Besitz ist das ein ganz strenger Orden" berichtet noch heute Schwester Regina und weiß, dass manche nicht einmal ihre Uhr behalten durften. Doch das störte den stillen Mann nicht. Und das machte ihm auch während seines weiteren Lebens nichts aus. Das beweist sein letzter Brief an die Eltern vom 2. Juli 1964, wo er ihnen ankündigte, dass im August ein neuer Bruder in der "Fraternität" erwartet wird. "Und Ende August ist die Reihe an mir, die Koffer zu packen. Das wird kein großes Gepäck sein.", schrieb er weiter. Im Jahre 1959 war er in die Gemeinschaft eingetreten. In Frankreich und Spanien bereitete er sich im Postulat und Noviziat auf seinen künftigen Beruf vor. Er freute sich aber immer auch auf die Begegnung mit seiner Familie, zu der er ein inniges Verhältnis pflegte. Mit seiner Mutter und zwei Geschwistern musste er Anfang des Jahres 1945 aus Schlesien fliehen. Der Vater war noch 50jährig zum Volkssturm kommandiert worden und musste die Gefangenschaft in Sibirien erleiden. Über Feldkirchen, Münchshöfen/Oberschneidung war die Familie 1957 nach Schierling gekommen, wo Vater Bruno - ein überaus bescheidener, ruhiger und hilfsbereiter Mensch - Leiter der Volksschule wurde. Im Juli 1960 schrieb Bernhard Sarnes seinen Eltern, dass der Beginn des Noviziats sich verzögert. "Da sagte ich mir, dann sofort!". So kündigte er seine Heimreise an und grüßte mit "Bis dahin also seid vielmals umarmt".

Ebenso begeistert muss der Ordensmann aber auch von seiner neuen Aufgabe gewesen sein. Anfang Dezember 1961 war er nach Afrika gestartet und zuerst in Rwanda gelandet. Er beobachtete alles ganz genau und schrieb seitenlange Briefe. Die ersten Wochen verbrachte er in Bukawo am See von Kidu, der 1500 Meter hoch liegt. "A propos der See! - Regina, das Wasser ist herrlich warm und es gibt keine Krokodile wie in den anderen Seen Afrikas" schrieb er voll Überschwang seiner Schwester. Bruder Bernhard lernte in dieser Zeit vor allem kisuaheli, um für die kommenden Aufgaben sprachlich gerüstet zu sein. Beeindruckt war er von der Gläubigkeit der Afrikaner. "Die Messen fangen um 5 Uhr an und um 11 Uhr ist das Hochamt zu Ende - die Kirchen mit an die 1000 Sitzplätzen sind immer voll- nur Schichtwechsel. Und in allen Messen viele Kommunionen (nicht wie in Schierling)", beschrieb er die Hochachtung vor den afrikanischen Mitchristen. Er sah schon in den ersten Wochen viele Probleme in Afrika. Doch er wollte niemanden Unrecht tun, und hielt deshalb mit seiner Meinung noch zurück. Die Eltern zuhause waren besorgt um das Wohl ihres Sohnes. "Sie haben Bernhard aber nie abgeredet", erinnert sich Schwester Regina. Und der Sohn tat schon nach seiner Ankunft in seinem künftigen Wirkungsort - Etabe, an der Grenze zu Uganda - Ende Januar 1962 alles, um die Sorgen von der Familie zu nehmen. Er hoffte, "dass ihr euch von den Ereignissen im Kongo nicht habt beunruhigen lassen", schrieb er. Er sollte sich aber irren in der Einschätzung, dass schon zu dieser Zeit der Kongo die erste Phase der Unabhängigkeit, "wo aller Groll und alte Hassgefühle sich überschlagen - in der Vergangenheit unterdrückt - hinter sich hat und man anfängt ruhig und vernünftig zu denken". Dass weder Ruhe noch Besonnenheit eingekehrt war, dass Belgien zu früh die Unabhängigkeit zuließ, sich Hals über Kopf zurückzog und auch da die internationale Staatengemeinschaft versagte, kostete den gläubigen Mann das Leben.

Er widmete sich den Pygmäen, einem Zwergvolk, das von den benachbarten Stämmen unterdrückt und als Sklaven behandelt wurde. Er wollte dabei mithelfen, die nur 1,30 bis 1,40 Meter großen Menschen von diesem Joch zu befreien und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Im April 1962 schrieb er seiner Familie, dass die Pygmäen ihre Wohnungen auf die Bäume bauen. "Diese Hütten gleichen in der äußeren Form einem Eskimoiglu, nur sind es statt Schnee, Zweige und Blätter". Trotz allen Eifers sind in einem Brief vom Oktober 1962 auch Zweifel und Enttäuschung zu spüren. Bruder Bernhard beklagte, dass der anfängliche Eifer der Menschen in Afrika sehr schnell wieder erlosch. "Wir haben keine Erfolge vorzuweisen", bedauerte er einerseits, um aber gleich anzufügen: "Die Vorliebe Gottes gehört den Armen; von daher müssen wir das Problem anfassen." Er wollte in all seinem Tun ein Beispiel geben von der Liebe Gottes. Dabei übersah er nicht die Versuchung, bei den vielen wirtschaftlichen Problemen das Gebet zu vergessen. Bruder Bernhard kümmerte sich in erster Linie um die Küche, die Wäsche, die Werkstatt und den "Bestellungen" von Türen und Fenstern durch die Pygmäen. "Oft muss ich auch ablehnen, vor allem jetzt, dass wir einen Wettlauf mit der Zeit begonnen haben", schrieb er. Er hatte nämlich mit den Ureinwohnern gerade eine Palmensaat hochgezogen, und die jungen Pflanzen mussten noch vor der Trockenperiode in die Erde gebracht werden, weil sie sonst verloren gewesen wären. Er hoffte, dass noch ein vierter Mann sich "vom Urwald angezogen fühlt, oder einfach von jenen Freunden Gottes, den Ärmsten" und mithelfen könnte. Dieser Wunsch ging dann auch in Erfüllung, denn bald kam ein weiterer Bruder zur Fraternität. In einem Brief im Mai 1964 sprach der Missionar bereits von "trüben Bildern". Die Lage im Lande beschrieb er mit dem "üblichen Durcheinander. Wenig Hoffnung für die Zukunft." Die Leute auf dem Land entbehrten das Notdürftigste, in der Station der Kleinen Brüder gab es nicht einmal mehr Salz.

Ab Juli 1964 war die Familie in Schierling voller Sorge um den Sohn und Bruder, denn es gab kein Lebenszeichen mehr. Im November verdichteten sich die Nachrichten, dass auch Bernhard Sarnes unter den von den Rebellen genommenen Geiseln war. Die "Bild-Zeitung" berichtete am 23. November unter der Überschrift "Wir werden alle Weißen erschießen". Tatsächlich war Bruder Bernhard schon Ende September 1964 zusammen mit seinem deutschen Bruder Hans Eberlein sowie den Franzosen Andre Gorse und Bernard Mathias in Etabe verhaftet worden. Ihr Auto wurde gestohlen und sie wurden in den Ort Teturi gebracht, freigelassen, später in der Kleinstadt Mambassa inhaftiert, wieder freigelassen, aber dann Ende Oktober wieder im Keller eines Kaufhauses eingekerkert, wo auch bereits der italienische Pater Longo einsaß. Hans Eberlein und Bernard Mathias waren bei den Aufständischen schlecht angeschrieben und wurden fast täglich geschlagen. Andre Gorse und Bernhard Sarnes dagegen waren dafür vorgesehen, an einer höheren Schule zu unterrichten. Das berichtete die Französische Botschaft Mitte Dezember den Eltern. Nach späteren Recherchen der Ordensgemeinschaft wurde erkannt, dass keiner der Brüder mit dem Tod rechnete. Vielmehr waren sie sicher, ihre Arbeit in Etabe fortsetzen zu können. Bruder Andre begann gar damit, in einem Buch die Mechanik eines Dieselmotors zu studieren, weil sie auf ein solches Fahrzeug hofften. In einem anderen Bericht aber wird die Beobachtung von sechs Schwestern geschildert, wie die Brüder in Mambassa ankamen. Dort erteilte ihnen der italienische Priester in aller Stille und unbemerkt von den Rebellen die Lossprechung, weil der glaubte, "dass die Stunde gekommen war".

Am 25. November wurden die beiden französischen Brüder um 8 Uhr morgens abgeholt und erschossen. Und als die Rebellen erfuhren, dass etwa 50 Kilometer entfernt in Bela eine Niederlage durch weiße Söldner drohte, musste aus Vergeltung auch Bernhard Sarnes sein Leben lassen. Ein Einheimischer, den die Rebellen zum Dienen zwangen, brachte mit einem Lastwagen die beiden deutschen Brüder im Ordensgewand etwa sieben Kilometer außerhalb des Ortes zum Fluss Epulu. Dort wurden sie durch eine Maschiengewehrsalve getötet und ihre Leichen in den Fluss geworfen. Das berichtete ein halbes Jahr später der Lastwagenfahrer einem Ordensmitglied persönlich. Die beiden wurden vorher nicht gefoltert.

Eigentlich sollte Bernhard Sarnes schon am 2. September 1964 nach Europa zurückkehren, um sein Studium fortzusetzen und die Priesterweihe zu empfangen. Doch die Abfahrt verzögerte sich immer wieder, bis er unschuldig Opfer wurde. In Schierling war die Trauer groß, als ein Bote am 5. Dezember 1964 die Nachricht vom Tode Bernhard Sarnes der Familie überbrachte. Vater Bruno war gerade als heiliger Nikolaus in der Paringer Schule, erinnerte sich Regina Sarnes. Es wurden Gedächtnisgottesdienste gefeiert mit dem damaligen Pfarrer Josef Scheuerer, Mitgliedern der Ordensgemeinschaft und Bischof Dr. Rudolf Graber. Die Abiturienten des Straubinger Jahrgangs 1956 halten auf Initiative von J. Lorenzer das Gedächtnis des Mannes hoch, der das Fundament für die Botschaft Christi in einem kleinen Teil Afrikas setzen wollte. Der Name Bernhard Sarnes ist an einem Denkmal in Brüssel verewigt.

Text: Fritz Wallner