Zur Startseite Archiv 2004

Kirchenchor Schierling führt "Schwabenkinder-Messe" auf

Schierling, 24.10.2004. Der Kirchenchor St. Peter und Paul Schierling führt zusammen mit dem fast 40-köpfigen „Junior-Classic-Orchester” unter Leitung von Prof. Kunibert Schäfer am Sonntag, 31. Oktober um 17 Uhr in der Pfarrkirche Schierling die „Schwabenkinder-Messe” von Enjott Schneider sowie „populäre Kirchenmusik” von Martin Völlinger auf. Karten gibt es für 5 Euro nur an der Abendkasse. Kinder haben freien Eintritt.

Plakat zur AufführungEs ist noch nicht allzu lange her, dass mitten im aufgeklärten Europa Kinder auf eigenen Märkten teilweise wie Vieh verhandelt wurden. Als „Schwabenkinder” bezeichnete man die Kinder aus Vorarlberg, Nord- und Südtirol sowie der Schweiz, die alljährlich zu den Kindermärkten ins Schwäbische zogen. Solche Kindermärkte gab es in Wangen, Ravensburg, Bad Waldsee, Tettnang und Friedrichshafen in Württemberg, im Badischen in Pfullendorf und Überlingen und im Bayerischen Allgäu in Kempten. Der größte Markt war in Ravensburg.

Es war bitterste Armut in den Bergregionen, die die Eltern zwang, einen Teil ihrer Kinder vom Frühjahr bis in den Herbst zum Viehhüten oder zur Arbeit hauptsächlich in der Landwirtschaft ins Schwäbische zu schicken. Die Gründe hierfür waren vielfältig: die kargen Böden und das raue Klima, der Kinderreichtum und die vielfach praktizierte Erbteilung, die zur Zersplitterung der Höfe führte. Beim so genannten „Schwabengehen” handelte es sich nicht um die Verdingung einzelner Kinder, sondern in manchen Jahren um bis zu fünf- bis sechstausend in regelrechten Zügen, die sich oft den Lebensunterhalt auf dem Marsch in die Fremde links und rechts des Weges erbetteln mussten. Das Durchschnittsalter lag bei 7 bis 14 Jahren, wobei es aber keine Seltenheit war, dass auch schon Fünfjährige mitgeschickt wurden. Begleitet wurden die Kinder meist von einer älteren Person, aber auch von Geistlichen, die für die Unterkünfte unterwegs sorgten und die Marktpreise aushandelten.

Der bekannte Regisseur Jo Baier hat im letzten Jahr einen viel beachteten und sehr erfolgreichen Film zu diesem Thema gemacht. Der Münchner Komponist Enjott Schneider vertonte den Film und schrieb dazu eine Messe mit Kyrie, Gloria, Sanktus und Agnus Die. Damit wollte er die hohe Bedeutung des Themas herausstellen und mit dem Kyrie – „Herr, erbarme dich” – auch die Schmach herausarbeiten, welche die Schwabenkinder durch Erwachsene erleiden mussten.

Professor Kunibert Schäfer griff das Thema auf, um einerseits für diese historische Begebenheit zu sensibilisieren und andererseits zu zeigen, dass auch zeitgemäße Kirchenmusik populär sein kann und die Leute diese Musik als klangvoll und angenehm empfinden können. Es gibt keine Dissonanzen in der Musik und nciht zuletzt deshalb wurde diese schon in Zusammenhang mit der Filmkritik sehr gelobt.

In der Pfarrkirche Schierling werden außerdem Werke des 1977 geborenen Komponisten Martin Völlinger aufgeführt. Es handelt sich um „Wo die Liebe wohnt”, „Selig sind die Armut leben”, „Du bist das Licht meines Lebens” und „Bleibe bei uns”.

Veranstaltet wird das Konzert vom Markt Schierling und finanziell unterstützt durch Geltl-Bau im Rahmen des Kultur-Sponsorings. Karten gibt es für 5 Euro ab eine Stunde vor Beginn in der Pfarrkirche. Für Kinder ist der Eintritt frei.

Das für das Konzert entworfene Plakat zeigt ein Kind aus dem Kindergarten St. Peter und Paul in Grigorovka in Moldawien. Die Kinder im ärmsten Land Europas sind sehr auf die Hilfe gut meinender Menschen im Westen Europas angewiesen. Es wird vermutet, dass etwa eine halbe Million junger Menschen in Europa unterwegs ist auf Arbeitssuche und zur Bestreitung des Lebensunterhalts. So soll das Plakat die Brücke schlagen zwischen dem historischen Leidensweg der Schwabenkinder und der Situation heute.

Text: Fritz Wallner