150 "Pappen" in Schierling
Teilnehmer aus allen Teilen Deutschlands beim 9. Oberpfälzer Trabi-Treffen
SCHIERLING, 19. Juli 2003. Mehr als 150 knatternde Trabis aus der gesamten Republik versammelten sich am Wochenende im südlichsten Zipfel der Oberpfalz, tauschten Tricks und Tipps aus und feierten bei der "Zylinderkopf-Party". Der bayerische Wirtschaftsstaatssekretär Hans Spitzner war Ehrengast beim 9. Oberpfälzer Trabi-Treffen, blieb bei der Anreise im Stau stecken und musste deshalb auf das einmalige Feeling einer Trabifahrt verzichten.
Ob
Uralt-Modell, aufgestylt oder tiefer gelegt:
Bunte Trabi-Vielfalt beim Konvoi durch Schierling |
Der unnachahmliche ölige "Duft" und Qualm von Zweittakt-Motoren lag am Samstag über dem Ortskern von Schierling, als über 100 der "Pappen" - die zum Kultsymbol geworden sind - sich zum Konvoi formierten. "Super-Idee!", rief die Trabi-Besitzerin aus dem Weisseritzkreis am Stadtrand von Dresden, als sich Brauereiverwalter Rupert Winkler mit fünf Kästen "Schierlinger Pils" als Freibier beliebt und das Warten auf den Staatssekretär kurzweiliger machte.
Wunderschöner Platz
Die Dresdner waren schon zum Teil am Donnerstag angereist, hatten ihr Zelt
im Freizeitzentrum aufgeschlagen und es sich gemütlich gemacht. Sie sind
schon zum fünften Mal da. "Weil das ein sehr schönes Fest ist,
gut organisiert und auf einem wunderschönen Platz!", so das Lob
an die Organisatoren vom Schierlinger Trabant-Club - allen voran Hans und
Silvia Gammel.
Passt
Bgm. Gascher in den kleinen Trabi? |
Air-Brush für die Motorhaube
Drei Monate habe er gebraucht, um seinen Trabi zum Cabrio umzubauen. Nein,
nicht Plastik sei das Material, sondern "Baumwolle mit Phynolharz verpresst"
doziert einer auf die offenbar naive Frage eines der vielen Schaulustigen
am Rathausplatz. "Vierzehn Tage wennst nix g'macht hast an dem Kübel,
dann juckts schon wieder!", verriet ein Schwabacher stolzer Trabi-Besitzer.
Er hat mit Air-Brush - ganz kleinen Lackpistolen - die Wartburg auf die Motorhaube
spritzen lassen. "Das ist kein Abziehbild!", wehrt er sich, um damit
zu bekräftigen, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Während die
"Schierlinger Doafmuse" unter Leitung von Ludwig Grauschopf bei
brütender Hitze noch einen Marsch spielt, die Organisatoren, Schirmherrin
Michaela Buchner und Bürgermeister Otto Gascher angesichts der Verspätung
von Hans Spitzner sorgenvoll auf die Uhr blicken, wird der tiefer gelegte
"Leukoplastbomber" von der Fachwelt unter die Lupe genommen.
Tiefer gelegt und Breitreifen
"Der hat 195er Niederquerschnittreifen!", bemerkt ein Knirps staunend.
Ein anderer hat die weiß-blaue bayerische Rautenfahne am Fahrzeug angebracht.
"Nehmen sie den Staatssekretär mit?", so die Frage. "Nein,
darf ich nicht, weil mein Auto rot gespritzt ist", so die spontane scherzhafte
Antwort. Alle Fahrzeuge waren für eine Prämierung auf Hochglanz
gebracht worden, denn die Jury sollte ihre "Pappe" nur von der besten
Seite sehen. Schließlich setzte sich die Menge mit Geknatter und Gejohle
in Bewegung, die Ehrengäste werden in edlen Cabrios von Audi und Chrysler
chauffiert, die von Sponsoren zur Verfügung gestellt wurden.
Der skeptische Blick in das
Innere eines Trabis, v.l. Bürgermeister
Otto Gascher, Silvia und Hans Gammel, Michaela Buchner,
Staatssekretär Hans Spitzner, Marktrat Ludwig Gallmeier
12 Jahre Wartezeit
Im Freizeitzentrum erwartet Hans Spitzner mittlerweile die illustre Schar
und nennt es "etwas Erhebendes", wenn Trabi-Freunde aus Ost und
West sich treffen. Das Auto sei 1950 geplant, aber erst 1958 gebaut worden.
Es bedeutete ein Stück Freiheit, weil es Mobilität ermöglichte.
12 Jahre hätten die Leute im Schnitt darauf warten müssen. Und einem
Bekannten von ihm sei die Wartezeit um 6 Jahre verlängert worden, weil
er allzu lästerlich über "Honi" sprach und daraufhin denunziert
wurde.
Der Trabi sei kein technologisch hoch stehendes Fahrzeug gewesen, doch nicht
alles sei schlecht gewesen, was im Osten gemacht und gebaut wurde. "Trabis
sind die Besten!", rief einer dazwischen und begründete das damit,
dass seiner schon fast 50 Jahre in Betrieb sei. "Wo gibt's das sonst
noch?", fragte er.
Alte Zeitschriften... | ...und alte Ersatzteile. |
Kunst und Kultur
Schirmherrin und FU-Vorsitzende Michaela Buchner nannte das Meeting "Kunst
und Kultur auf vier Rädern" und sie stellte fest: "Hier wird
deutlich, dass schnell zusammenwächst, was zusammengehört!".
Dritter Bürgermeister Karlheinz Olbrich rühmte das Geschick der
Organisatoren, "die hervorragende Kulisse und das ausgezeichnete Ambiente".
Segel-Trabi |
Familienausflugs-Idylle
Auf dem rund 50000 Quadratmeter großen Freizeitgelände Schierlings
wurde da und dort der Grill angeheizt, viele relaxten in der Sonne, andere
fachsimpelten über die beste Pflege für ein langes Leben des Trabi-Zweitakters.
Aus der Trabi-Stadt Zwickau waren Händler angereist mit allen nur denkbaren
Ersatzteilen und Sammler-Utensilien, bis hin zur 80 Jahre alten Zeitschrift
"Motorsport 1922". Das Rahmenprogramm war vielfältig: Es gab
Boxkämpfe und erstmals eine Wrestling-Demonstration. Für die Tombola
hatte Webasto sogar ein Schiebedach gestiftet. Ausgeschenkt wurde auch "Schierlinger-Trabi-Treibstoff".
Erstmals waren auch Goggo's - meist aus ihrer Herkunftsstadt Dingolfing -
dabei und Hans Krieger steuerte einen alten Aicher-Bulldog beim Konvoi durch
den Ort.
Fachgespräch
um alten Motor |
Spenden jetzt 47000 Euro
Das Spendenaufkommen der Leukämiehilfe des Trabant-Clubs Schierling ist
auf über 47000 Euro angewachsen. Vorsitzender Hans Gammel kündigte
am Rande des 9. Oberpfälzer Trabi-Treffens eine weitere Typisierungsaktion
an und übergab Schecks an die Leukämiehilfe Ostbayern. Es gab ein
dickes Lob von Wirtschafts-Staatssekretär Hans Spitzner für das
soziale Engagement der Trabi-Freunde. In seinem engsten Verwandtenkreis seien
drei Leukämiefälle bekannt und deshalb wisse er unmittelbar um die
Notwendigkeit der Typisierung, der weiteren Forschung und der Unterstützung
bei der Behandlung dieser Krankheit. Hans Gammel berichtete davon, dass in
der Umgebung wieder ein Fall bekannt geworden sei, wo vor fünf Jahren
die Tochter und jetzt das Enkelkind mit zwei Jahren an Leukämie erkrankt
sei. "Wir dürfen nicht aufhören und müssen uns weiterhin
engagieren!", so Gammel, Er dankte allen, die tatkräftige Unterstützung
leisten und nannte aus der jüngsten Zeit die Raiffeisenbank Schierling-Obertraubling,
den Liederkranz, der aus der Sommerserenade den Erlös von 1000 Euro gespendet
hatte. Auch der FC-Bayern-Fanclub und die Junge Union seien bei den Spendern
gewesen. "Es gibt viele Leute, die sich unermüdlich etwas einfallen
lassen", sagte der Vorsitzende.
Einsatz in "ichbezogener" Zeit
Vom Vorstand der Leukämiehilfe Ostbayern e.V. nahmen Christa Burggraf
und Fritz Pustet die Spende entgegen. Burggraf erklärte, dass es immer
wieder faszinierend sei, in der ichbezogenen Zeit Menschen auch an andere
dächten. Dies sei für die Aktiven wertvoll und vermittle Kraft und
Mut im Einsatz für die kranken Menschen. Liederkranzvorsitzender Luck
Islinger rühmte das Engagement der Trabant-Clubs mit einer Reihe von
selbst gedichteten Gstanzln.
Schierlinger Frei-Pils für
alle
Text und Fotos: Fritz Wallner