Pilot opferte sich für Unterlaichling

Oberleutnant Wilhelm Seidel bewahrte am 12. Juli 1943 das Dorf vor einer Katastrophe

SCHIERLING/UNTERLAICHLING, 05.06.2019. Mit sechs Gedenk-Fallschirmsprüngen wurde nördlich von Schierling daran erinnert, dass Unterlaichling am 12. Juli 1943 nur knapp einer Katastrophe entging. Das über dem Dorf in Flammen stehende Flugzeug zog sein Pilot Wilhelm Seidel noch einmal hoch, ehe es im nahen Wald abstürzte und zerschellte. Der damals 33-Jährige opferte sein Leben. Das für ihn schon für über 70 Jahren errichtete Marterl wurde jetzt restauriert und erneut gesegnet.

Pfarrer Josef Helm mit Zuhörern bei der Segnung
In der Nähe von Unterlaichling im Markt Schierling hatte sich 1943 der Pilot Wilhelm Seidel geopfert, um das Dorf vor einer Katastrophe zu bewahren. An der Segnung des restaurierten Marterls durch Pfarrer Josef Helm nahmen auch Organisator Robert Fuchs (Bildmitte) sowie Bürgermeister Christian Kiendl und Kreisrätin Rita Blümel teil
Gerhard Schneider neben dem Marterl
Gerhard Schneider aus Schierling kümmerte sich um die Pflege und hat die beiden kleinen Kreuze am Boden aus Teilen des abgestürzten Flugzeugs gebastelt

Die Initiative für die Aktion hatten der Historiker Peter Schmoll aus Sandshbach und Geschichtsbegeisterte um den Obersandinger Robert Fuchs ergriffen. Sie kooperieren mit dem Round Canopy Parachuting Team „RCPT“, einem internationalen Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Gedenkveranstaltungen zu Ereignissen des Zweiten Weltkrieges mit stilgerechten Rundkappen-Fallschirmsprüngen zu unterstützen. Es gelte, damit die Alliierten Soldaten zu ehren, die kämpften und starben, um Europas Freiheit wiederherzustellen, so deren Sprungdienstleiter Sebastian Merkel.

Unter den rund 300 Zuschauern waren auch Zeitzeugen wie die beiden 89-jährigen Josef Froschhammer aus Unterlaichling und der ehemalige Schierlinger „Dengler-Wirt“, Ludwig Dengler. In beiden ist die Erinnerung hellwach, wenngleich sich auch ihre Erzählungen nicht messerscharf decken. Das Flugzeug sei aus Südwesten in Richtung Flugplatz Obertraubling unterwegs gewesen, überflog Schierling und hat da schon gebrannt, so Dengler. Froschhammer hatte als 13-Jähriger das Flugzeug von Zaitzkofen her über Unterlaichling gesehen. Er erinnere sich an einen weißen Streifen den das Flugzeug nachzog, und der immer schwärzer wurde, bis die Messerschmitt 410 zum Feuerball wurde. Er habe auch jemanden herausspringen gesehen und später auf dem Feld von Alfons Biersack einen Schuh des Piloten gefunden. Der 80-jährige Schierlinger Gerhard Schneider wusste eine weitere Geschichte zu berichten. Die inzwischen verstorbene Wally Biedermann habe ihm erzählt, sie sei als Neunjährige mit ihrem Opa in der Natur gewesen und auf einen toten Soldaten mit Fallschirm gestoßen, der halb in der Erde steckte. Auf Opas Geheiß musste das Mädchen dort warten, bis er den Fund gemeldet hatte.

Ludwig Dengler beim Erzählen über den Absturz
Der 89-jährige Ludwig Dengler hatte als Bub das brennende Flugzeug beobachtet

Peter Schmoll hatte recherchiert, dass es sich um einen Überführungsflug zum Flugplatz Obertraubling handelte, den der fronterfahrene Pilot ausführte. Ein Triebwerksschaden sei der Auslöser der Katastrophe gewesen. Seidel habe eine große Schleife gezogen und sei im Tiefflug über Unterlaichling gewesen. Er habe den Absturz solange verhindert, bis sein Bordfunker mit dem Rettungsfallschirm aussteigen konnte, ohne dass dieser allerdings überleben konnte. Für den Oberleutnant reichte die verbleibende Höhe nicht mehr zur Rettung aus, und so stürzte er in ein Getreidefeld und starb.

Nach Sebastian Merkel könnte auch noch eine dritte Person, ein Zivilist, betroffen gewesen sein. Dieser sei zwar offiziell nicht aufgeführt gewesen, doch es sei nicht unüblich gewesen, weitere Personen mitzunehmen. Der Zivilist sei auch mit dem Fallschirm abgesprungen, allerdings am Leitwerk hängengeblieben und auch zu Tode gekommen.

Zuschauer auf der Wiese
Etwa 300 Menschen verfolgten die sechs Gedenk-Fallschirmsprünge

Mit Applaus verfolgten die vielen ergriffenen Besucher die Fallschmirmspringer, die fast majestätisch vom weiß-blauen Himmel schwebten. Bei der Segnung des restaurierten Gedenkkreuzes sagte Pfarrer Josef Helm, dass jedes Kreuz den Toten mit unserem Herrn und Heiland verbindet und dass durch jeden Tod auch Verwandte und Freunde in Mitleidenschaft gezogen werden. Für Schierlings Bürgermeister Christian Kiendl ist Wilhelm Seidel ein wahrer Held, der Unterlaichling vor einer unermesslichen Tragödie bewahrte, und dessen Gedenken nur mit großer Dankbarkeit verbunden sein kann.

Zwei Fallschirmspringer am Himmel
Vom weiß-blauen Mittagshimmel schwebten die Fallschirmspringer in die Nähe der Gedenkstelle

Gerhard Schneider ist ein Sammler und Bastler mit vielen Kontakten. Er hat im Laufe der Jahre selbst noch Flugzeugteile gefunden und aus der Sammlung des verstorbenen Hugo Rottmeier aus Upfkofen noch viele bekommen. Daraus hat er zwei Kreuze gemacht, die heute das Marterl am Waldrand zieren.

Robert Fuchs dankte allen Unterstützern und Helfern, unter ihnen der Feuerwehr Unterlaichling, Bürgermeister Kiendl, Steinmetz Knüpfer für die neue Steinplatte mit Beschriftung, Labertaler Fachmarkt für Baumaterialien, sowie Auto Körner für das Reinigen des Kreuzes.

Marterl mit Kreuzen
Der Gedenkstein mit den aus Wrackteilen gefertigten Kreuzen
Zuschauer mit Ferngläsern
Mit Ferngläsern waren die Sprünge besonders gut zu beobachten
Fallschirm auf der Wiese
Einer der Fallschirme nach dem Absprung

 
Text und Fotos: Fritz Wallner