Trends erkennen – eine „Marke“ werden

Marktgemeinderat sprach bei Klausurtagung mit einem Zukunftsforscher

SCHIERLING, 20.11.2017. Bei der zweitägigen Klausurtagung des Marktgemeinderates Schierling in Beilngries stellte der Soziologe und Zukunftsforscher Andreas Reiter vom Zukunftsbüro Wien unter dem Thema „Smart und kreativ-Der ländliche Raum als Zukunftslabor“ seine Überlegungen zu den Herausforderungen für den ländlichen Raum und Gemeinden darin vor. Es gehe vor allem darum, die jungen Leute zu behalten, die Kreativität als wichtigen Standortfaktor zu fördern und die Vernetzung zwischen Handwerk, Industrie, Dienstleistung sowie öffentlicher Hand zu ermöglichen. Es sei wichtig, dass sich der jeweilige ländliche Raum eine eigene Identität gibt und Reiter fand in diesem Zusammenhang Schierlings Leitidee „Vorsprung zieht an“ als Versprechen für die Zukunft besonders spannend.

Andreas Reiter beim Vortrag
Bei der Klausurtagung des Marktgemeinderates Schierling nannte es der Wiener Zukunftsforscher Andreas Reiter (rechts) als besonders herausfordernd, die jungen Menschen im ländlichen Raum zu behalten. Auch Bürgermeister Christian Kiendl und Rathaus-Geschäftsleiter Manuel Kammermeier hörten aufmerksam zu.

Die Trends zu erkennen, bevor sie der Mainstream erkennt, die Beratung von Kommunen, um sich zu profilieren mit einem besonderen Blick auf die jungen Menschen und die Auswirkungen der digitalen Welt zu beschreiben, das seien seine Arbeitsschwerpunkte, so Reiter. Der Drang der Menschen in die großen Städte hinein sei unverkennbar und schon heute wohnten sieben von zehn Europäern in Metropolen. Regensburg sei eine solche „Schwarmstadt“, in die besonders gerne 18- bis 35-jährige Menschen ziehen würden. Es sei wichtig, sich bei der intelligenten digitalen Welt dem Standort-Wettbewerb zu stellen. Für die Lebensqualität seien besonders auch die „weichen Faktoren“ wichtig.

Junge Frauen entscheiden

Reiter fand es erstaunlich, dass sich der Markt Schierling schon seit langer Zeit diesen Themen widmet und zur eigenen Entwicklung Zukunftsprozesse durchgeführt und Ergebnisse umgesetzt hat. Der ländliche Raum biete in seiner Kompaktheit die Möglichkeit einer besonderen Identifizierung der Bürger und ein Gespür der Geborgenheit. „Das Land ist längst Zukunftsort!“, so Reiter, denn in der digitalen Welt würden Dienstleistungen nicht ortsgebunden sein, sondern ortsunabhängig. Um den Wettbewerb zwischen Stadt und Land zu gewinnen, müsse der ländliche Raum in den „Kampf um die besten Köpfe“ eintreten. Und da wiederum seien es die jungen Frauen, die darüber mitentscheiden, wo man leben will. Da stelle sich die Frage, ob eine Gemeinde wirklich familien- und kinderfreundliche Strukturen habe. „Junge Qualifizierte entscheiden mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Region wo sie leben und arbeiten wollen“, sagte der Zukunftsforscher. Er hielt deshalb ein „Generationenmarketing“ für einen wichtigen Ansatz. Arbeit und Freizeit müssten zunehmend verschränkt werden.

Wirklichkeitssinn – Möglichkeitssinn

Schierling habe dabei den Vorteil, dass es sehr nah an Regensburg liegt und die dortigen kulturellen Angebote und die Freizeitmöglichkeiten nutzen könne. „Smart und kreativ“ sehe er in der Chance, dass es dort, wo es einen „Wirklichkeitssinn“ gibt, auch einen „Möglichkeitssinn“ gebe. Junge Leute seien einerseits gefordert und andererseits brauchen sie nach Reiter auch Freiräume, um ihre Kreativität zu Entfaltung kommen zu lassen. „Neues wagen, aufbauend auf der Tradition“ hielt er für den richtigen Zukunftsweg, und das gelte auch für das Bauen. Er zeigte innovative bauliche Projekte aus dem Bregenzer Wald, der in dieser Hinsicht wegen des dahinterstehenden Mutes als Vorzeigeregion Europas gilt. Netzwerke und Profilierung seien nötig, aber ebenso Achtsamkeit in jeder Richtung.

Junge Menschen halten

Für eine Gemeinde gehe es immer wieder darum, seine eigene Identität – seine Marke – zu erkennen und daraus die strategischen Möglichkeiten zu entwickeln. So sei es möglich, den Menschen in der Gemeinde immer wieder neue die Chance der Identifizierung, und der Gemeinde selbst einer Neupositionierung zu geben. In erster Linie gehe es dabei um ein Versprechen auf eine gute Zukunft.

Bürgermeister Christian Kiendl sah den Weg des Marktes Schierling durch den Vortrag des Zukunftsforschers bestätigt. Denn Schierling sei besonders familienfreundlich und insbesondere mit dem enormen Ausbau des medizinischen Angebotes würden die Voraussetzungen für alle Generationen immer noch günstiger, in Schierling gerne zu leben und sich mit dem Markt Schierling als Heimat zu identifizieren. Die mit dem Gemeindeentwicklungskonzept erarbeitete Strategie sei der große Rahmen, an dem sich die Verantwortlichen orientieren, auf den sich aber auch die Bürgerschaft verlassen kann. Trotzdem sei es immer wieder nötig, einen Blick darauf zu werfen und da und dort Stellschrauben neu zu justieren. In der Diskussion wurde deutlich, dass es eine große Aufgabe darstelle, junge Menschen noch mehr in die Entwicklungsprozesse einzubeziehen. Doch gleichzeitig wurde klar, dass Schierling in den letzten 20 Jahren ein starkes Profil gewonnen hat, was nicht zuletzt dazu führte, dass Menschen zurückkommen, die früher weggezogen waren.

 
Text und Foto: Fritz Wallner