Schierlingerin als Opfer des Nazi-Regimes

Grundschüler der Placidus-Heinrich-Schulen informierten sich am „Stolperstein“ beim Rathaus über Euthanasie im Dritten Reich

SCHIERLING, 30.07.2017. Mit dem „Stolperstein“ am Rathausplatz als Beispiel beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler der 4. Klassen der Placidus-Heinrich-Grundschule mit einem Teil der Gräueltaten des Dritten Reiches als schwärzestem Teil der deutschen Geschichte. Die kleine Messingplatte vor der Infotafel am Rathaus erinnert an die im Jahre 1891 geborene Therese Wallner, die im November 1940 von den Nazis als „unwertes Leben“ in Hartheim bei Linz vergast wurde. Fritz Wallner erzählte deren Geschichte und Religionslehrerin Monika Gaßner machte den Kindern deutlich, dass Mord das schlimmste Verbrechen ist, das ein Mensch begehen kann.

Fritz Wallner mit Kindern der 4. Klasse
Viertklässler der Schierlinger Placidus-Heinrich-Grundschule informierten sich mit ihrer Religionslehrerin Monika Gaßner (rechts) bei Fritz Wallner (Bildmitte) am „Stolperstein“ beim Rathaus über Mordaktionen der Nazis

Fritz Wallner berichtete, dass schon vor dem Mordprogramm durch die Nazi damit begonnen worden war, die Patienten nach „rassenhygienischen“ Kriterien zu erfassen. Dieser Prozess begann Mitte 1936 in Regensburg mit der Errichtung einer sogenannten „erbbiologischen Station“ in der Heil- und Pflegeanstalt Kartaus, in der die „Bestandsaufnahme der erbkranken Sippen“ erfolgen sollte. Therese Wallner von der Obermühle war aufgrund einer geistigen Behinderung in diese Anstalt gekommen. Bald beschlossen die Nazis, diese Menschen umzubringen, weil sie keinen Wert für die Gesellschaft hätten. Wallner zeigte ein Foto von einem Zeitschriften-Titelbild aus der damaligen Zeit auf dem das Leben eines Menschen mit Geld aufgewogen wurde. „60000 RM kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit. Volksgenosse das ich auch Dein Geld“ ist in den Monatsheften „Neues Volk-Die Monatshefte des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP“ zu lesen. „Das war eine haarsträubende Entwürdigung der Menschen und eine eklatante Verletzung der Menschenrechte!“, so Wallner. Denn das menschliche Leben sei das höchste Gut und jeder Mensch ein Geschöpf Gottes. „Niemand darf sich zum Richter über Leben und Tod erheben, und noch dazu auch niedrigen Beweggründen wie Geld!“, so Wallner.

Titelblatt der Zeitschrift Neues Volk mit Aufruf zur Euthanasie
Mit einem zynischen Plakat/Titelblatt wollte man die Bevölkerung für die Tötungsaktionen gewinnen

In Regensburg selbst gab es keine Tötungseinrichtungen. Deshalb wurden die dort ausgewählten Personen im Zuge der „T-4-Aktion“ ab November 1940 mit Sammelbussen ins Schloß Hartheim bei Linz in Österreich gebracht und dort mit Kohlenmonoxid-Gas getötet. Bis zum Herbst 1941 handelte es sich um mindestens 640 Personen, darunter auch Therese Wallner aus Schierling. Weil diese Vorgänge auch an die Öffentlichkeit gelangten und vor allem deutsche Bischöfe wie der Münsteraner Bischof Galen und auch Münchens Erzbischof Faulhaber heftig protestierten, wurde die Aktion gestoppt. Clemens Cording, ehemaliger stellvertretender Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirksklinikum Regensburg, hat diese Sachen erforscht und festgestellt, dass die Aktion trotzdem weitergeführt wurde, wenn auch auf öffentlich nicht vernehmbare Weise. Er schätzt, dass von Herbst 1941 bis zum Kriegsende noch rund 1000 Personen absichtlich ums Leben gebracht wurden.

Kardinal Faulhaber hatte sich am 6. November 1940 mit einem energischen Protestschreiben an Reichsjustizminister Gürtner gewandt und darin beklagt, dass niemand der offene Augen und offene Ohren habe, leugnen könne, „dass heute in unserem Volk eine große Unruhe eingetreten ist, weil das Massensterben der Geisteskranken überall besprochen wird, und leider auch die Zahl der Toten, die Art des Todes.“ Faulhaber verurteilte die „Sterbehilfe und Vernichtung unwerten Lebens“ als Verstoß gegen göttliches Gesetz und sittliche Ordnung.

Fritz Wallner fasst zusammen, dass Therese Wallner damals vergast wurde, weil sie nicht den übersteigerten Ansprüchen der Nazis an einen perfekten Menschen entsprach. Ihre Leiche wurde verbrannt, die Asche konnte ihr Bruder in Regensburg abholen. Es handelte sich um eine abscheuliche Tat und der Stolperstein am Schierlinger Rathaus – der einzige im Landkreis Regensburg - erinnere daran, wie grausam Menschen zu Menschen sein können. Es darf nie vergessen werden, dass es Unrecht ist, Menschen nur deshalb zu töten, weil sie krank sind und es darf nie vergessen werden, dass Gewalt, Lüge, Hass und Willkür keine Mittel der Politik sein und werden dürfen.

Aus diesen Gründen habe der Marktgemeinderat Schierling im Jahre 2010 zugestimmt, dass der Kölner Künstler Gunter Demnig den „Stolperstein“ verlegen konnte. Die Kinder waren beeindruckt von der Geschichte und ihnen wurde schnell klar, dass so etwas nie mehr passieren darf. Im Gespräch ging es auch um die Todesstrafe, die es in manchen Ländern gibt. Monika Gaßner machte an diesem Beispiel deutlich, dass das Unrecht nicht nur irgendwo ganz weit weg war, sondern direkt in der Heimat.

Schloß Hartheim bei Linz

Im Frühjahr 1940 führte man innerhalb weniger Wochen Umbauarbeiten hinsichtlich einer Adaption des Schlosses zu einer Euthanasie-Anstalt durch; die Bewohner wurden zu diesem Zeitpunkt auf andere Pflegeanstalten im Gau Oberdonau verteilt. Sie sollten zu den ersten Opfern der Tötungsanstalt Hartheim werden. Der erste Transport erreichte Hartheim am 20. Mai 1940. Zwischen 1940 und 1944 wurden im Schloss Hartheim rund 30.000 Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung sowie psychisch kranke Menschen ermordet. Sie waren teils Patienten aus psychiatrischen Anstalten und Bewohner von Behinderteneinrichtungen und Fürsorgeheimen, teils Häftlinge aus den KZ Mauthausen, Gusen und Dachau sowie Zwangsarbeiter. Heute beherbergt das Schloss einen „Lern- und Gedenkort“.
Details dazu unter http://www.schloss-hartheim.at

 
Text und Foto: Fritz Wallner