Auf dem Weg zur „In-die-Stadt-Bahn“

Bahnreaktivierungs-Initiativen aus ganz Bayern tagten in Schierling

SCHIERLING/EGGMÜHL, 28.03.2017. Bei der Tagung der Bahnreaktivierungs-Initiativen aus ganz Bayern im Feuerwehrhaus Eggmühl kritisierte Robert Wittek-Brix von Lightrail Transit Enterprises (LTE) Heidelberg, dass derzeit in Regensburg nur die Chancen einer künftigen Stadtbahn innerhalb der Stadtgrenzen Regensburgs gutachtlich geprüft werden und die Region außen vor bleibt. Er skizzierte als Alternative die bahnbrechende Entwicklung einer umsteigefreien Einbindung der Region in Innerortslagen und gab das Ziel aus, von der Diskussion um eine „Stadtbahn“ zum Nachdenken über eine „In-die-Stadt-Bahn“ zu kommen.

Gruppenbild mit Bahn
Am Bahnhof Eggmühl im Markt Schierling trafen sich rund 70 Mitglieder von Bahnreaktivierungs-Initiativen aus ganz Bayern und befuhren auch einen Teil der Lokalbahn Schierling-Langquaid. Von rechts Schierlings Bürgermeister Christian Kiendl, Wolfgang Lahoda (Lokalbahn Schierling), VCD-Vorsitzender Bernd Sluka, Wolfgang Treppesch (Lokalbahn), Robert Wittek-Brix, Langquaids Bürgermeister Herbert Blascheck und Geschäftsführer Josef Weigl von der Nahverkehrsgesellschaft des Landkreises Regensburg
Robert Wittek-Brix von Lightrail Transit Enterprises (LTE) Heidelberg
Robert Wittek-Brix von Lightrail Transit Enterprises (LTE) Heidelberg trug ein leidenschaftliches Plädoyer für die Vernetzung von Stadt und Region Regensburg durch eine „Stadt-Umland-Bahn“ vor

Wittek-Brix ist einer der Architekten einer künftigen „Stadt-Umland-Bahn“, die von Burglengenfeld bis Schierling/Langquaid – durch die Stadt Regensburg – führen könnte (unser Medienhaus berichtete). Er konkretisierte vor rund 70 Tagungsteilnehmern das System mit alternativen Bedienungsformen, die einen kostengünstigen Betrieb erlauben. Es sei „geradezu absurd“ zu glauben, man müsse nur die Verhältnisse wieder herstellen, die vor der Einstellung von Eisenbahnstrecken herrschten. Die Wiederherstellung einer „Vollbahn“ sei nicht das Ziel, denn aufgrund zu weniger Haltepunkte garantiere sie keine maximale Auslastung und sie sei zu teuer. Eine Lösung seien Citylink-Hybrid-Fahrzeuge im Ein-Mann-Betrieb, die auf den gleichen Gleisen verkehren wie die Fernzüge – und in der Stadt auf das Netz der Stadtbahn wechseln. „Wir lassen die Fahrzeuge umsteigen und nicht die Fahrgäste!“, fasste Wittek-Brix zusammen. Die Züge in der Region seien da und schon bestellt, doch würden sie derzeit nur um Regensburg herum fahren. Wenn „von außen nach innen“ gedacht werde, müsse nicht 35 Jahre auf die Stadtbahn Regensburg gewartet werden und die Kosten würden nicht 400 Millionen, sondern vielleicht 60 Millionen Euro betragen. Wittek-Brix plädierte leidenschaftlich dafür, die Leute dort abzuholen wo sie wohnen, arbeiten und einkaufen wollen. „Wir wollen doch keine Spielzeugeisenbahn, sondern ein System, das den Menschen dient, und das Nachfragepunkte wie Einkaufzentren einbezieht“, sagte er. Die Technologie erlaube es heute, alternative und bessere Bedienungsformen bei geringen Kosten zu erhalten. Es gehe auch in diesem Bereich um Innovationen und Nachhaltigkeit. Mit dem Beispiel der „Stadt-Regio-Tram“ im oberösterreichischen Gmunden belegte er die Machbarkeit.

Auch das System Stadt-Umland-Bahn Regensburg von Burglengenfeld bis Schierling/Langquaid mit der Chance auf weitere „Flügel“ hielt er Zug um Zug für realisierbar. Der bei der Tagung als Gast anwesende Kreisrat Dr. Rudolf Ebnet hörte das gern, denn seit langer Zeit sei das eines seiner Ziele, seufzte aber gleichzeitig: „Das glaubt kaum einer, da rennst du gegen Windmühlen!“

Dr. Johann Niggl vor Zuhörern
Dr. Johann Niggl von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (links) nannte als Voraussetzung für die Reaktivierung von Bahnstrecken, dass die Nachfrage hoch genug ist und der Landkreis sich klar äußert

Kreistag ist gefordert

Geschäftsführer Josef Weigl von der Gesellschaft zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Regensburg (GfN) nannte den Schienen-Personennahverkehr das Rückgrat im Raum Regensburg. Dessen Stärkung sei jede Anstrengung wert, doch entscheide die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), welche Reaktivierungsmaßnahmen vorgenommen werden und sie bestellt auch die Verbindungen. Dr. Johann Niggl, der Sprecher der Geschäftsführung der BEG spielte den Ball zurück und erklärte, dass vor allem die Nachfrage für eine Reaktivierung entscheidend sei und dass die BEG deshalb Fahrgastprognosen erstelle. „Wir machen das dort, wo Landkreise sich klar geäußert haben und bereit sind, den Busverkehr an die Schiene anzupassen“, so Dr. Niggl. Es gehe um ein integriertes abgestimmtes Konzept, im Rahmen des Anspruchs, „Mobilität gesamtheitlich zu denken“.

Schierlings Bürgermeister und Kreisrat Christian Kiendl sah darin einen klaren Auftrag für die politischen Gremien im Landkreis, Konzepte zu skizzieren und das eindeutige Signal sowohl an die BEG als auch an die Stadt Regensburg auf Reaktivierung und Einbindung zu senden.

Wolfgang Lahoda und Wolfgang Treppesch
Wolfgang Lahoda und Wolfgang Treppesch stellten die Geschichte und die Aktivitäten der Lokalbahn Schierling-Langquaid vor

Engagierte Ehrenamtliche

Wolfgang Treppesch und Wolfgang Lahoda stellten die Geschichte der Lokalbahn Schierling-Langquaid und die Anstrengungen um deren Erhalt ausführlich vor. Nach wie vor sei die Deutsche Bahn Eigentümerin der Strecke, die von der „Rhein-Sieg-Eisenbahn“ gepachtet ist und bewirtschaftet wird. Der Streckenunterhalt mache viel Arbeit, die teilweise weiterhin von Ehrenamtlichen geleistet wird. Die Verknüpfung des Bahnhofs Eggmühl in Richtung München und Regensburg sie derzeit durch den Stundentakt „gewaltig“. Der „gebrochene Verkehr“ – das Umsteigen – schrecke weiterhin viele Leute ab, den Zug zu nutzen. Deshalb habe auch die Eisenbahninitiative in der Vergangenheit bereits konkrete Überlegungen für eine durchgehende Zugverbindung in Richtung Regensburg gemacht.

Bürgermeister Christian Kiendl
Bürgermeister Christian Kiendl hatte die Gäste aus ganz Bayern im Namen des Marktes Schierling begrüßt

Umweltfreundliches Verkehrsmittel

Bürgermeister Christian Kiendl hatte die Tagung bewusst nach Schierling geholt und er dankte dem Landesverband Bayern des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD) für die Entscheidung, die diesjährige Tagung nach Schierling zu legen. „Ich habe höchsten Respekt vor ihrem Engagement und ihrer Arbeit, denn sie schaffen einerseits Bewusstsein für ein umweltfreundliches Verkehrsmittel und sie zeigen andererseits, dass auch in diesem Bereich die Verknüpfung von Bürgerschaft und Politik der einzige Weg ist, um unser Gemeinwesen voranzubringen“, sagte er zu den vielen Ehrenamtlichen, die sich der Eisenbahn-Reaktivierung verschrieben haben. Die Teilnehmerliste zeige ihm, dass es in allen Teilen Bayerns Aktivitäten zur Wiederbelebung von Eisenbahnstrecken gibt. Auch bei der Lokalbahn Eggmühl-Schierling-Langquaid seien es am Anfang die Ehrenamtlichen um Wolfgang Lahoda und Wolfgang Treppesch gewesen, die zusammen mit Mitstreitern aus Schierling, Langquaid und anderen Orten der Umgebung frühzeitig auf den drohenden Abbau der etwa 10,3 Kilometer langen Strecke hingewiesen haben und die fatalen Folgen eines solchen Rückbaus der Gleise herausstellten. „Was einmal abgebaut ist wird in diesem Bereich nie mehr zurückkommen“, sei ihr Credo gewesen.

Verkehrs-Wende nötig

VCD-Vorsitzender Bernd Sluka war überwältig vom großartigen Andrang und nannte als Ziel der Tagung die weitere Vernetzung sowie den Informations- und Erfahrungsaustausch der Teilnehmer. Sein Stellvertreter Kurt Bayer konstatierte, dass Deutschland nach der Energie-Wende jetzt eine Verkehrswende braucht. Denn die Autos werden mehr, auf den Straßen steht der Verkehr, die Städte quellen über und die Parkplätze sind rar. Dem „reichen Freistaat Bayern“ stünde es gut an, Euros rauszurücken, damit die Schiene besser gestellt wird. Der Verein zur nachhaltigen Mobilität zwischen Gotteszell und Viechtach e.V. (Go-Vit) stellte den Probebetrieb der reaktivieren Bahn und den Weg dorthin vor.

Eisenbahn-Reaktivierungs-Tagung in Schierling

Veranstalter. Landesverband Bayern des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Vorsitzender Bernd Sluka zog eine äußerst positive Bilanz, denn noch nie seien so viele Interessenten gekommen wie nach Schierling und mit den dichten Informationen und dem Erfahrungsaustausch könne zwar nicht euphorisch aber durchaus positiv in die Zukunft geblickt werden.

Gastgeber. Schierlings Bürgermeister Christian Kiendl hatte die Initiativen eingeladen, um insbesondere auf die rund 10,3 Kilometer lange Lokalbahn Eggmühl-Schierling-Langquaid aufmerksam zu machen, die in eine Stadt-Umland-Bahn Regensburg eingebunden werden könnte. Mit der Lokalbahn ging es zum Mittagessen nach Schierling.

Gäste. Die Tagungsteilnehmer kamen von folgenden Zusammenschlüssen, die sich ehrenamtlich der Reaktivierung verschrieben haben: „Initiative Fuchstalbahn“, „Wanderbahn im Regental“, „Hessisch-Bayerische Sinntal-Kreuzbergbahn“, „Bündnis Bachgaubahn“, „Chiemgauer Lokalbahn“, „Pro Städtedreiecksbahn“, „Ilztalbahn“, „Förderverein Steigerwaldexpress“, „Pro Hochwald- & Hunsrückbahn“, „Förderverein Lokalbahn Hauzenberg-Passau“, „Go-Vit e.V.“ und „Lokalbahn Schierling-Langquaid“.

 
Text und Fotos: Fritz Wallner