„Den Menschen in Würde begegnen“

Beim Neujahrsempfang wurde „Partnern der Integration“ die Referenz erwiesen
„Halte inne für den Frieden“ als Unterthema – Friedenslichter bei Friedenstaube

SCHIERLING, 27.01.2016. Beim Neujahrsempfang des Marktes Schierling im Saal des „topfour“ stellte Bürgermeister Christian Kiendl die „Partner der Integration“ in den Mittelpunkt. Also diejenigen Menschen vor Ort, „die das große Thema unserer Tage, die Flüchtlingswelle, in besonderer Weise in unserer Gemeinde gestalten und begleiten.“ Es ging aber auch um Menschen, die sich bereits in der Vergangenheit für die Integration von Neubürgern – aus allen Teilen der Welt – engagiert haben. Festredner war der Landtagsabgeordnete Martin Neumeyer aus dem benachbarten Kelheim, in seiner Eigenschaft als Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung.

Gruppenbild der Ehrengäste
Der Markt Schierling zeichnete beim Neujahrsempfang Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen aus, die sich in besonderer Weise als „Partner der Integration“ erweisen. Auf unserem Foto von rechts: MdL Silvia Stierstorfer, Bürgermeister Christian Kiendl, MdL Margit Wild, MdL Martin Neumeyer, Annette Straßer, stellvertretender Landrat Willibald Hogger, Claudia Buchner, Sepp Hoffmann, Susanne Metko, Uwe Biedermann, Gudrun Honke, Dr. Josef Kindler, Christiane Holmer-Holtz, Richard Rohrer, Sepp Gascher und MdB Graf Lerchenfeld

Bürgermeister Christian Kiendl begrüßte rund 100 Gäste und dazu den fast vollzählig versammelten Marktgemeinderat. Die Gemeinden haben nach den Worten des Bürgermeisters beim Flüchtlingsthema nicht die großen politischen Linien zu setzen. „Unsere Aufgabe besteht darin, den ankommenden Menschen in Würde zu begegnen. Die Würde ist das oberste Ziel unserer Verfassung und die Würde der Menschen steht auch bei unserem christlich-abendländischen Menschenbild ganz oben“, sagte er. Die jeweils persönliche Situation der Menschen aus anderen Teilen der Welt – mit ihrer eigenen oft schweren Geschichte - sei dabei der Ausgangspunkt.

Bgm. Christian Kiendl mit MdL Neumeyer
Bürgermeister Kiendl überreichte an MdL Neumeyer einen „Schierlinger Korb“

Hilfe anbieten – nicht aufdrängen

„Die Herausforderungen dieser Tage sind für uns, den Ankommenden unsere Hilfe anzubieten, sie unterzubringen und zugleich aber zu selektieren, wer schlussendlich zum dauernden Aufenthalt bei uns berechtigt ist. Zusammenfassend geht es darum, Schritt für Schritt zum Gelingen der Integration beizutragen. Diese Integration ist, wie der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio schreibt, eine fundamentale Herausforderung für uns alle, und sie wird eine Generation oder länger brauchen“, so Kiendl.

Orientierung an Werten

Integration sei ein beidseitiger Prozess. Er fordere von den hier lebenden Menschen gelebte Humanität und er fordere von den Ankommenden eine klare Orientierung an unseren Werten, vor allem am Grundgesetz und seinen fundamentalen Regelungen. Weil der Prozess der Globalisierung auch unser Land immer wieder grundlegend verändern werde, sei es wichtig, dass wir uns selbst unserer Werte und Grundsätze klar werden, uns am langfristigen Gemeinwohl orientieren und aktiv handeln.

Blick in den Saal
Insgesamt rund 120 Gäste waren zum Neujahrsempfang geladen

Langer Prozess

Anna Langrieger mit Violine und Hans G. Langrieger am Klaiver
Die 12-jährige Anna Langrieger und ihr Vater Hans G. Langrieger umrahmten musikalisch

Dass Integration ein langer Prozess sei, das hätten unsere Eltern und Großeltern schon vor rund 70 Jahren erlebt, sagte der Bürgermeister. In Schierling seien damals rund 500 Neubürger angekommen. In schwerer Zeit und mit nichts als dem, was sie tragen konnten. „Sowohl die Bevölkerung von Schierling wie auch die damals politisch Verantwortlichen haben sich vorbildlich verhalten“, stellte Bürgermeister Kiendl fest.

Kritischer Hinweis

Der Bürgermeister wandte sich durchaus kritisch an die „große“ Politik in der Vergangenheit. Er sagte wörtlich: „Heute wird viel davon gesprochen, dass mehr Anstrengungen unternommen werden müssen um die Armut dort – also in den Ländern - zu bekämpfen, wo die Not groß ist. Das wird als eine wirksame Möglichkeit angesehen, um den Grund für Massenflucht zu nehmen. Dazu muss man wissen, dass bereits im Jahre 1970 die UNO die Resolution zur Entwicklungsfinanzierung verabschiedet hat. Darin setzten sich die reichen Länder das Ziel, mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe zu verwenden. Im Jahr 2000 wurden die „Millenniumsentwicklungsziele“ bekräftigt und auch noch einmal im Jahr 2010 haben sich 189 Staaten das verbindliche Ziel gesetzt, bis 2015 die 0,7 Prozent zu erreichen.

Tatsächlich haben dies bisher nur Schweden, Belgien, Irland, Finnland, Norwegen, die Niederlande, Dänemark, Großbritannien, Spanien und Luxemburg getan. Deutschland liegt im Jahre 2014 mit etwa 0,41 % für die Entwicklungshilfe an 12. Stelle. Der Deutsche Bundestag hat für 2013 sogar eine Verringerung der Entwicklungshilfemittel beschlossen.

Wir haben zwar in jedem der letzten Jahre rund 10 Milliarden Euro bezahlt, aber gleichzeitig haben wir uns jährlich etwa 8 Milliarden Entwicklungshilfe „gespart“. Es muss die Frage erlaubt sein, ob nicht Hunderttausende Menschen in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten geblieben wären, wenn dieses Geld für die Ernährung wenigstens teilweise zur Verfügung gestanden hätte“, so der Bürgermeister.

Jetzt sei das Jammern und Weheklagen groß, weil Deutschland Milliarden für die Flüchtlinge ausgeben muss. Vielleicht hätte die „große Politik“ – über alle Parteien hinweg - in der Vergangenheit weitsichtiger sein müssen. Vielleicht hätten dann die Vereinten Nationen nicht die Rationen in den Flüchtlingslagern im Libanon zum Beispiel für rund 500.000 Flüchtlinge kürzen müssen – von denen sich ein großer Teil schließlich auf den Weg Richtung Westen gemacht hat.

Anzünden von Friedenslichtern

Unterstützung als Teil der Würde

Der Bürgermeister kam zurück zu den örtlichen Verhältnissen. Verständnis für die Situation, Unterstützung im Umgang mit unserer Lebensweise und unseren Behörden, Bildung - insbesondere mit Sprachkursen –, Ausstattung mit Kleidung und dem Bedarf des täglichen Lebens, das sei die Stärke der vielen Ehrenamtlichen. „Wir werden niemandem etwas aufdrängen, doch wir verstehen unsere Unterstützung als einen Teil dieses würdevollen Umgangs“, so Kiendl. Für all das sagte er ein herzliches Dankeschön!

Die Präsentationswand mit dem Friedensmotiv
Das Thema „Frieden“ beherrschte auch die Präsentationswand im „topfour“, die jetzt im Rathaus-Foyer steht

„Keine einfachen Themen“

Der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, MdL Martin Neumeyer, sprach über „Flucht und Asyl – Ursachen, Verteilung, Herausforderungen für Bayern“. Asylsuche und Integration seien keine einfachen Themen für die es einfache Lösungen gebe. „Es gibt ein Deutschland vor Köln und ein Deutschland nach Köln“, sagte er. Die Debatte werde immer heißer, härter und intensiver, weil sie die Menschen immer mehr berühre. „Ich bin begeistert, wenn ich einen Helferkreis wie in Schierling sehe, der sich einbringt. Es funktioniert nicht, wenn sie sich nicht einbringen, wer soll’s denn machen – der Staat? Der Staat sind doch wir!“, so Neumeyer. Er forderte einen offenen und ehrlichen Umgang mit diesem Thema. „Wir sollten keine Illusionen oder Angst haben, sondern Verantwortung und Mut zeigen. Wir haben aber nur die Chance es zu meistern, wenn alle eine Meinung haben und diese vernünftig und vertrauensvoll diskutiert werden“, so der Politiker.

Fluchtursachen bekämpfen

Ständiges Aufnehmen sei nicht die Lösung und auch nicht machbar. Er sprach sich dafür aus, die Fluchtursachen zu bekämpfen und über eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge zu sprechen, und zwar nicht nur in Europa. Begrenzungsregelungen wie in Österreich würden für Deutschland noch mehr Probleme bringen. Eine wichtige Aufgabe sei die Integration für die, die Bleiberecht haben. „Wir brauchen Schule, Beruf, Bildung und auch Wohnungen, es darf nur kein Wettbewerb sein zwischen sozial schwachen Deutschen und den Flüchtlingen. Soziale Brennpunkte müssen von vornherein also vermieden werden und im Endeffekt funktioniert es nur so wie wir mit dieser Sache umgehen“, so Neumeyer.

Zuverlässige Zusammenarbeit

Stellvertretender Landrat Willibald Hogger brachte die Grüße von Landrätin Tanja Schweiger und las deren Kolumne im Regensburger Wochenblatt vor. Hogger dankte allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich in Schierling für die Unterstützung der Flüchtlinge einbringen und dem Markt Schierling für die stets zuverlässige Zusammenarbeit mit dem Landkreis Regensburg.

Blick in den Saal

Licht für den Frieden

„Die Frucht der Gerechtigkeit ist Frieden“, war auf der Präsentationswand zu lesen. Nicht zuletzt deshalb war für den Neujahrsempfang als Unterthema „Halte inne für den Frieden“ gewählt worden. Neben dem Rednerpult war eine Friedenstaube installiert worden, die mit Lichtern eingerahmt war. „Zögern sie nicht, jetzt gleich anschließend bei unserem Friedenstaube ein Licht anzuzünden“, sagte Bürgermeister Kiendl. Viele folgten seiner Bitte.

Die musikalische Gestaltung des Neujahrsempfangs lag in den Händen von Anna (Geige) und Hans G. Langrieger (Klavier) vom Unterlaichlinger Kulturzentrum „Artonicon“ mit klassischen Werken von Alfred Schnittke, Pablo de Sarasate und Carl Maria von Weber.

Nach dem offiziellen Teil gab es Gelegenheit zu Gesprächen, dazu wurden vom „topfour“-Team kleine kulinarische Köstlichkeiten gereicht.

Prominente Gäste beim Anzünden eines Friedenslichts
An der Friedenstaube entzündeten viele Teilnehmer ein Friedenslicht

Neujahrsempfang

Gäste. Unter den Gästen waren auch die Ehrenbürger Pfarrer i.R. Hans Bock und Bürgermeister a.D. Otto Gascher sowie der Bundestagsabgeordnete Graf Lerchenfeld, die Landtagsabgeordneten Sylvia Stierstorfer und Margit Wild und der stellvertretende Landrat Willibald Hogger.

Flüchtlinge. In den sieben vom Landratsamt Regensburg in Schierling angemieteten Gebäuden sind derzeit rund 119 Flüchtlinge untergebracht.

Ehrungen

Claudia Buchner mit Bgm. Christian KiendlClaudia Buchner

Frau Buchner hat sich von Anfang an – mit dem Eintreffen der ersten der derzeit über 100 Flüchtlinge – in den Dienst dieser sehr guten Sache gestellt. Sie ist die Sprecherin des etwa 35 Mitglieder zählenden Asylbewerber-Unterstützerkreises, der ebenso effektiv wie lautlos arbeitet. Frau Buchner, nehmen sie den Pokal als Anerkennung ihrer persönlichen Leistung ebenso wie der Leistungen ihres äußerst engagierten Teams.

Frau Annette Straßer

Annette Straßer mit Bgm. Christian KiendlFrau Straßer als Leiterin des Familienstützpunktes ist der wohl wichtigste operative Dreh- und Angelpunkt der Hilfe für die Flüchtlinge. Auf ihre Initiative hin wurde die Kleiderkammer ins Leben gerufen, die nicht nur den Flüchtlingen, sondern allen bedürftigen Personen zur Verfügung steht. Sie ist auch während des Tages Ansprechpartnerin und sie steht für einen nüchternen sowie sorgfältigen Pragmatismus, der dort ansetzt, wo größtmögliche Effektivität gefragt ist. Auch sie erhält stellvertretend für alle, die Frau Straßer unterstützen, diesen Pokal.

Evangelischer Kirchenvorstand

Herr Neumeyer mit Bgm. Christian KiendlDas evangelische Gemeindezentrum war von Anfang an ein wichtiger Stützpunkt für die ehrenamtliche Arbeit. Einige Wochen wurde zwei jungen Männern das sogenannte Kirchenasyl gewährt. Sie sollten nach Ungarn zurückgeschickt werden. Wir wissen, sehr geehrter Herr Neumeyer, dass dies ein sehr differenziert zu sehendes Instrument ist. Doch der Vorstand der evangelischen Kirchengemeinde hat mit seiner Entscheidung ein Zeichen für den konkreten Beistand gesetzt. Für das gesamte Engagement der evangelischen Kirchengemeinde gibt es den Pokal.

Placidus-Heinrich-Schulen

Frau Honke mit Bgm. Christian KiendlUnsere Placidus-Heinrich-Grundschule ist von Grund auf eine Einrichtung mit integrativer Kraft. Weder Schulleiter noch Lehrer können sich aussuchen, wer zu ihnen kommt. Die Schule versteht es seit sehr vielen Jahren – unabhängig von der jetzigen Flüchtlingswelle – Kinder aus allen Teilen Deutschlands und Europas aufzunehmen, sie zu fördern und zu integrieren. Das ist ein wichtiger Grundstock für das ganze Leben. Diese Förderung wollen wir mit dem Pokal besonders wertschätzen. Ich darf Frau Honke und Herrn Hoffmann stellvertretend für das Lehrerkollegium zu mir bitten.

Schulförderverein

Schulförderverein bei der EhrungDer Schulförderverein hat von Anbeginn seines Bestehens alle Bestrebungen der Integration von Schülerinnen und Schülern nicht-deutscher Abstammung enorm unterstützt. Vor allem deshalb ist er bereits vor Jahren mit dem Bürgerkulturpreis des Bayerischen Landtags ausgezeichnet worden. Wir möchten die seitdem ununterbrochen andauernden Integrationsbestrebungen mit dem Pokal ausdrücklich erneut öffentlich machen.

TV Schierling

Richard Rohrer mit Bgm. Christian KiendlUns ist sehr bewusst, wie wichtig Vereine als Partner der Integration sind. Mit dem Turnverein Schierling haben wir beispielhaft einen Verein herausgegriffen, der vor allem den jungen Burschen unter den Neuankömmlingen Raum für sportliche Betätigung gibt und auch für wichtige Kontakte mit der Bevölkerung sorgt. Sepp Gascher wird mir immer wieder als einer der herausragend Engagierten auf diesem Gebiet genannt. Ich darf den TV-Vorsitzenden Richard Rohrer und Sepp Gascher zur Entgegennahme des Pokals zu mir bitten.

Impressionen vom Neujahrsempfang

Die Friedenstaube
  
Anzünden von Friedenslichtern
  
Anzünden von Friedenslichtern
  
Anzünden von Friedenslichtern
  
Anzünden von Friedenslichtern
  
Anzünden von Friedenslichtern
  
Anzünden von Friedenslichtern
  

 
Text und Fotos: Fritz Wallner