Schierling ist Teil eines Forschungsprojekts

Erste Gemeinde Bayerns mit „Data-Mining“-Kommunalwahlanalyse

SCHIERLING, 26.12.2014. Der Deggendorfer Hochschulprofessor Dr. Johannes Grabmeier hat die Wahl des Marktgemeinderates Schierling im Rahmen eines erst- und einzigartigen Forschungsprojekts untersucht und erste Ergebnisse Mitgliedern des Marktgemeinderates vorgestellt. Er hat sich bei seiner Forschung der „Data-Mining“ -Technik der Assoziationsanalyse – bedient. Sie wird sonst für Warenkörbe in Supermärkte eingesetzt, um das Kaufverhalten der Kunden zu studieren. Es geht beim Data-Mining immer darum, aus sehr großen Datenmengen automatisch Informationsstrukturen aufzudecken, die der Entscheidungsfindung über zukünftige Strategien – möglicherweise auch der Parteien - helfen können.

Bgm. Christian Kiendl mit Prof. Johannes Grabmeier
In Schierling stellte Prof. Dr. Johannes Grabmeier (rechts) von der Technischen Hochschule Deggendorf eine Wahlanalyse mit Data-Mining vor und erhielt dafür von Bürgermeister Christian Kiendl einen besonderen Dank

Bürgermeister Christian Kiendl begrüßte Johannes Grabmeier, der an der Technischen Hochschule Deggendorf Professor für Wirtschaftsinformatik ist. Er wies schon zu Beginn darauf hin, dass bei der gesamten Untersuchung der Datenschutz gewährleistet ist, weil dem Professor neben den Daten der Stimmzettel nur Daten zur Verfügung gestellt wurden, die aus den Wahlprospekten der vier zur Gemeinderatswahl angetretenen Parteien und Gruppen zu entnehmen waren.

„Schierling ist bei diesem neuen innovativen Forschungsprojekt an vorderster Stelle“, sagte Grabmeier. Noch nie vorher seien Daten nach einer Kommunalwahl in Bayern in dieser Weise untersucht worden. Zuerst habe er die in codierter Form vorliegenden Stimmzettel der über 3900 Wählerinnen und Wähler decodiert, daraus eine Unmenge Daten gewonnen,

Um die Daten aufzubereiten und verfügbar zu machen, hat er Programm geschrieben. „Ausgangspunkt war, was der Wähler konkret auf dem Stimmzettel gemacht hat, zum Beispiel welche Kandidaten und Parteien er gemeinsam gewählt hat“, so Grabmeier. Aus jedem Stimmzettel hat er einen „Warenkorb“ erstellt. Dazu hat er die notwendigen Modellierungen aufgestellt, um dann sehr viele Regeln über Zusammenhänge zu erhalten. Mit welcher Absicht die Wähler ihre Entscheidung in der Wahlkabine getroffen habe, das sei selbstverständlich nicht zu ermitteln gewesen.

Insgesamt hat Grabmeier rund 45000 Datensätze von allen Merkmalen der Stimmzettel und der Kandidaten vorliegen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind in Regeln formuliert, die nach dem Verhältnis ihres Auftretens der Relevanz der Themen und der erzielten Übereinstimmungswahrscheinlichkeiten geordnet werden können.

Er kann zum Beispiel die Frage beantworten, in welch unterschiedliche Weisen sich Briefwähler anders verhalten als Bürgerinnen und Bürger, die an die Wahlurne gehen. In Schierling haben 46,71 Prozent der Wähler in der Wahlkabine „panaschiert“, das heißt, dass sie Kandidatinnen und Kandidaten aus unterschiedlichen Listen gewählt haben. Bei der Briefwahl waren dies 68,66 Prozent der Wähler. 54,55 Prozent der Wähler haben die höchstmögliche Zahl von 20 Stimmen vergeben, die anderen gut 45 Prozent haben teilweise auf Stimmen verzichtet. 79,96 Prozent der Schierlinger Wähler haben „kumuliert“, also gehäufelt.

Auf 81,33 Prozent der Stimmzettel wurden Kandidaten der CSU/CWG angekreuzt, auf 51,98 Prozent solche der Freien Wähler, 41,50 Prozent der Bürgerliste und 29,36 Prozent der SPD. „Von keiner anderen Kommunalwahl in Bayern weiß man so etwas!“, so Professor Grabmeier. Ob daraus konkrete Schlüsse gezogen werden, das sei in erster Linie Sache der Parteien. „Spannend ist, dass es diese Auswertungen jetzt gibt“, sagte Bürgermeister Kiendl.

Grabmeier bat um Rückmeldung, was von den vorgestellten Ergebnissen interessant oder weniger interessant ist. Außerdem konnte er sich vorstellen, dass die vier Parteien jeweils getrennt noch genauer betrachtet werden, etwa wie das Wahlverhalten im Hinblick auf das Alter und die Partei, auf Kandidatenorte, Berufsgruppen und Familienstand. Grabmeier hielt es richtig, dass immer eine gewisse Relevanz erkennbar sein muss.

Bürgermeister Kiendl dankte dem Wissenschaftler für seine akribische Arbeit. Professor Grabmeier übergab allen das Geheft „Wahlanalyse mit Assoziationstechniken des Data-Minings für die Gemeinderatswahl 2014 der Marktgemeinde Schierling“. Er freute sich, dass es im Schierlinger Rathaus für sein Projekt große Aufgeschlossenheit gegeben hat und damit diese beispielhafte Arbeit möglich geworden sei. Inzwischen sei mit der Stadt Wasserburg eine weitere Kommune hinzugekommen, für die er das Data-Mining macht.

Zur Person

Der Diplom-Mathematiker Prof. Dr. Johannes Grabmeier ist seit 2000 Professor für Wirtschaftsinformatik an der TH Deggendorf. Aufgewachsen ist er in Dingolfing. Studium und Beruf (u.a. im Wissenschaftlichen Zentrum der IBM und in Managementverantwortung für Lösungen für Finanzdienstleister) führten ihn nach München, Warwick (England), Bayreuth und Heidelberg. Von 2009 - 2013 war er Dekan der Fakultät für Betriebswirtschaft und Wirtschaftinformatik.

 
Text und Foto: Fritz Wallner